Page 28 - Stadtmagazin "es Heftche"® | Ausgabe 124, Dezember 2022
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 Siebenpfeiffer Preisverleihung in Zweibrücken
Würdigung von unerschrockenen Journalistinnen und Journalisten
auch der Gegenseite dienen könnten. Ihre letzte Reportage für TV Doschd führte Marfa Smirnova in die Ukraine, die gerade von rus- sischen Truppen angegriffen worden war. Sie war dafür alleine im Nachbarland unterwegs und auch für die Technik zuständig und übermittelte eine Reportage über den Krieg, den sie auch als solchen benannte. Inzwi- schen wurde TV Doschd vom russischen Staat geschlossen und verboten. Ljubou Kaspjarowitsch hat über junge Menschen in Belarus recherchiert, die bei Protesten gegen Lukaschenko festgenommen wurden und denen der Prozess gemacht wurde. Im Zuge ihrer Recherchen wurde auch sie inhaftiert. 15 Tage lang saß sie im Gefängnis. Nach massiven Drohungen hat sie Belarus schließ- lich verlassen. Sie arbeitet seither aus dem Exil, auch für deutsche Medien. Ljubou Kaspjarowitsch dürfte dann auch den ande- ren Preisträgerinnen und Preisträger sowie vielen weiteren Journalistinnen und Journa- listen aus der Seele gesprochen haben, als sie mit leicht zittriger Stimme und dennoch sehr überzeugend aussprach: „Die einzige Macht, die ich habe, ist die Dinge beim Na- men zu nennen.“ Mit Liedern aus dem deut- schen Vormärz sowie jiddischen Liedern sorgten Hans und Simon Bollinger sowie Christoph und Nora Kleuser für die passende musikalische Umrahmung an diesem Tag.
 Das investigative Nachrichtenmedium „Zaborona“, gegründet in der Ukraine von Katerina Sergatskova und Roman Stepanovych, hat in diesem Jahr den mit 8000 Euro dotierten Siebenpfeif- fer-Preis erhalten. Zwei Sonderpreise, jeweils mit 4000 Euro dotiert, gingen an die Journalistinnen Marfa Smirnova (Russland) und Ljubou Kasparowitsch (Belarus). Verliehen wird die Auszeich- nung seit 1987 von der in Homburg beheimateten Siebenpfeiffer-Stiftung. Erstmals war Zweibrücken Schauplatz des Festaktes.
„Die Jury würdigt vor dem Hintergrund des menschenverachtenden russischen Angriffs- krieges in der Ukraine und der schrecklichen Entwicklungen in Russland sowie in Belarus in diesem Jahr das unerschrockene Engage- ment von Journalistinnen und Journalisten, die ganz im Geiste von Philipp Jakob Sie- benpfeiffer an die Freiheit der Menschen und die Freiheit des Wortes glauben“, heißt es in der Jurybegründung. Martin Grasmück, Intendant des Saarländischen Rundfunks und erstmals in der Funktion des Juryvorsitzen- den am Rednerpult, gab Einblicke in weitere Gedanken und Beratungen der Jury: „Guter Journalismus kann Grenzen überwinden und maßgeblich dazu beitragen, demokratische Werte auch in den schwierigsten Zeiten mit dem Wort zu verteidigen. Danke allen Preis- trägerinnen und Preisträgern für diese Ge- wissheit.“ Zu Beginn der Preisverleihung hat- te Zweibrückens Oberbürgermeister Prof. Dr. Marold Wosnitza nicht zuletzt als Haus- herr seine Grußworte an die über 250 an- wesenden geladenen Gäste gerichtet, bevor der saarpfälzische Landrat Dr. Theophil Gal- lo, Vorsitzender der Siebenpfeiffer-Stiftung, auch die Preisträgerinnen und Preisträger bekannt gab und sie namentlich begrüßte. „Es ist ein wichtiges Signal, dass wir mit dem diesjährigen Siebenpfeiffer-Preis auch die schwierige Situation und die Arbeit der Pres- se gerade in Osteuropa anerkennen und die betroffenen Journalistinnen und Journalisten würdigen und stärken wollen“, so Dr. Gallo. Als Laudator für die 16. Preisverleihung konnte der Journalist und ehemalige Leiter des ARD-Studios Moskau, Udo Lielischkies, gewonnen werden. Offen und direkt sprach er von seinen Erlebnissen und Erfahrungen, nachdem er 1999 nach Moskau gekommen
war. Er nannte es den „Feldzug Putins gegen die Wahrheit“, den er mit Entsetzen verfolgt habe, „23 Jahre gefüllt mit kleinen und un- verschämten Lügen“. Die vier Preisträgerin- nen und Preisträger zählte Lielischkies zu seinen „stillen Helden“ und fasste zusam- men: „Alle vier haben ihre Familien verlas- sen müssen, ihre Freunde, ihre Heimat, weil sie nicht schweigen oder lügen wollten. Alle vier haben dafür einen hohen Preis bezahlt.“ Nach Lielischkies ergreifender Laudatio überreichte Landrat Dr. Theophil Gallo die Urkunden an Katerina Sergatskova und Ro- man Stepanovych, Marfa Smirnova und Lju- bou Kaspjarowitsch. Sodann erreichte die Veranstaltung ihren emotionalen Höhe- punkt, als die vier Preisträgerinnen und Preis- träger nacheinander das Wort ergriffen und kurz und prägnant von ihrer Arbeit in ihrer Heimat und aus dem Exil berichteten. Seit 2018 setzt sich das vergleichsweise junge, investigative Nachrichtenmedium Zaborona kritisch mit der Gesellschaft und gesellschaft- lichen Zusammenhängen in der Ukraine auseinander. Durch hohe ethische journa- listische Standards versucht das junge Team um Katerina Sergatskova und Roman Stepa- novych seither, unabhängig zu bleiben – ge- rade in der ersten Phase des Krieges eine Herausforderung, als es plötzlich abzuwägen galt, ob veröffentlichte Informationen nicht
Bei der Verleihung des 16. Siebenpfeiffer-Preises (v. l.): Vseslava Soloviova, Katerina Sergatskova und Roman Stepanovychvom vom Team „Zaborona“ (Hauptpreis),
Marfa Smirnova (Sonderpreis), Martin Grasmück, Ljubou Kaspjarowitsch (Sonderpreis), Landrat Dr. Theophil Gallo und Udo Lielischkies © Martin Baus
Unter www.siebenpfeiffer-stiftung.de finden Sie viele Infos über den Sie- benpfeiffer-Preis, die bisherigen Preis- träger und die Hintergründe des Prei- ses. Pressestelle Saarpfalz-Kreis
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