NeoVitaA Follow up-Studie
Hochdosierte Vitamin A-Gabe bei Frühgeborenen ist sicher
Die NeoVitaA-Nachsorgestudie (2019-2024) unter Leitung von Prof. Dr. Sascha Meyer, Direktor der Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum Karlsruhe, und seinen ehemaligen Kollegen am Universitätsklinikum des Saarlandes (UKS) in Homburg hat ergeben, dass hochdosiertes Vitamin A bei Frühgeborenen mit der chronischen Lungenerkrankung „Bronchopulmonale Dysplasie“ die Entwicklung der Funktionsfähigkeit von Atmung und Nervensystem nicht positiv beeinflusst.
Jetzt wurden die Ergebnisse in der renommierten Fachzeitschrift „eClinicalMedicine – Part of THE LANCET Discovery Science“ publiziert. Die Studie wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem European Clinical Research Infrastructures Network (ECRIN) gefördert.
Die Bronchopulmonale Dysplasie (kurz BPD) betrifft bis zu 45% der extrem untergewichtigen Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1000 Gramm. „Bei den erkrankten Kindern ist die Atmung deutlich beeinträchtigt, sie sind langfristig stärker für neurologische Erkrankungen, neurologische Einschränkungen und Entwicklungsverzögerungen anfällig und ihre Sterberate ist erhöht“, erklärt Studienleiter Prof. Sascha Meyer vom Städtischen Klinikum Karlsruhe. „Die BPD beeinflusst zudem die Lebensqualität bis ins Erwachsenenalter und verursacht nicht unerhebliche Kosten für das Gesundheitssystem. Leider haben sich viele der bisher durchgeführten therapeutischen Ansätze als nicht effektiv erwiesen oder haben schwere Nebenwirkungen.“
Vitamin A spielt eine Schlüsselrolle im Lungenwachstum und der Lungendifferenzierung. Intramuskulär (per Spritze) verabreichtes Vitamin A führte zu einer signifikanten Reduktion der BPD-Rate bei Frühgeborenen in einer randomisiert-kontrollierten Studie sowie in Metaanalysen. Allerdings sind die Ergebnisse zur hochdosierten enteralen Vitamin A-Gabe (per Magensonde) bisher widersprüchlich.
Deshalb wurde vom Universitätsklinikum des Saarlandes (UKS) in Homburg im Jahr 2015 eine große Studie mit der Bezeichnung „NeoVitaA“ gestartet, damals initiiert von Prof. Sascha Meyer, ehemals leitender Oberarzt in der Neonatologie des UKS, jetzt Direktor der Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum Karlsruhe.
Beteiligt an NeoVitaA hatten sich 29 Zentren in Deutschland und Österreich mit insgesamt 915 Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht unter 1000 Gramm. „Die NeoVitaA-Studie zeigte, dass die hochdosierte frühe Vitamin A-Gabe per Magensonde bei diesen Frühgeborenen sicher ist. Allerdings führte sie nicht zu einer statistisch signifikanten Verringerung der BPD-Rate bzw. der Sterblichkeit“, erläutert Prof. Sascha Meyer, der zusammen mit seinen Homburger Kollegen nun auch die Nachsorge-Studie durchgeführt hat. „In unserer NeoVitaA Follow-Up-Studie mit 759 Kindern konnten wir nun zeigen, dass das hochdosierte orale Vitamin A auch in Bezug auf die Atmung und die Gehirnentwicklung zum Zeitpunkt eines Alters von ein und zwei Jahren keinen positiven Einfluss hat.“ Somit scheinen höhere als von der Europäischen Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung (ESPGHAN) vorgeschlagene Dosen keine bedeutende Auswirkungen zu haben.
Der NeoVitaA-Studie ging eine umfassende Literatur-Recherche in den Datenbanken PubMed, Scopus, Web of Science, Medline sowie der Cochrane Library (CENTRAL) voraus. „Dabei konzentrierten wir uns auf Studien, welche zwischen 1990 und 2013 publiziert wurden. Nach Komplettierung der NeoVitaA-Studie erweiterten wir die Literatur-Recherche bis zum Jahr 2025“, erklärt Privatdozent Dr. med. Martin Poryo, Oberarzt in der Klinik für Pädiatrische Kardiologie am UKS. Er und sein Homburger Team wirkten maßgeblich an den Studien mit.
„Auf Basis der beiden Studien und der aktuellen Datenlage ergibt sich für die Zukunft, dass möglicherweise die Verabreichung von Vitamin A über andere Wege, beispielsweise Inhalation, zu einer Verbesserung der respiratorischen und auch der neurologischen Entwicklung führen könnte; dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich die wiederholte Gabe von Vitamin A intramuskulär (per Spritze) aufgrund der Schmerzhaftigkeit dieser Therapie nicht flächendeckend durchgesetzt hat“, sagt Prof. Sascha Meyer. „Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Implementierung von nicht-invasiven Atemunterstützungen inklusive dem so genannten LISA-Verfahren sowie die sich ändernden Definitionen der BPD die Ergebnisse unserer Studie beeinflusst haben könnten.“
Originalpublikationen:
NeoVitaA Follow up-Studie
Two-year outcomes after early postnatal high-dose fat-soluble enteral vitamin A supplementation in extremely low birth weight infants: follow-up of the NeoVitaA randomized controlled trial - eClinicalMedicine © UKS

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