Page 16 - Stadtmagazin "es Heftche"® Neunkirchen | Ausgabe 327, Juli 2025
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        Was ist die Schlawerie?
Zur Entstehung des Neunkircher Ortsteils „Schlawerie“ und zur Deutung des Namens – Teil 4 von Walter Petto
wenen ab, „die als sehr geschäftstüchtig galten“. Für „Schlowak“, „Schlawak“ nennt das Pfälzer Wörterbuch die Bedeutungen aus der Slowakei oder aus einem nicht näher bekannten (osteuropäischen) Land stammender Mensch, polnischer Jude, Zigeuner, unordentlicher, liederlicher Mensch. Mit ähnlichem Inhalt finden sich diese Ausdrücke auch in früherer Zeit in Lothringen, im Elsaß, in Südhessen, wie die einschlägigen Mundartwörterbücher ausweisen. In übertragener Bedeutung ge- braucht, haben sie einen pejorativen, also abwertenden, verächtlich machenden In- halt. Sie kommen wahrscheinlich aus dem Österreich der Habsburgerzeit, wo man im Umgang mit den Fremden nicht zimper- lich war. Hier spiegelt sich das Überlegen- heitsgefühl des Deutschöstereichers der Doppelmonarchie gegenüber dem Völker- gemisch des Balkans, der für manche noch heute schon in Wien beginnt, wieder. In diese Reihe von Schimpfwörtern für Ost- völker sind zu stellen „Polack“, „Böhmak“ für Tscheche; ähnlich „Katzelmacher“ für Italiener usw. Die von Wingert vertretene Ansiedlung von Hugenotten lässt sich nicht halten. Für Ludweiler und Zweibrücken ist ein Zuzug französischer Kalvinisten hin- länglich bekannt, während Neunkirchen höchstens vereinzelte hugenottische Zu- wanderer zu verzeichnen hat. Ein neuerer Versuch, dem Problem beizukommen, ist der von H. Gillenberg. Nach ihm sollen auf einer 10 Morgen großen Parzelle inmitten des Hoflandes Ende des 17. Jahrhunderts durch die fürstliche Regierung Zuwanderer angesiedelt worden sein. Wegen ihres dunklen Typs und ihren fremden Eigen- arten, wahrscheinlich auch wegen ihrer anderen Sprache, hatten die Neusiedler bald ihren Namen weg, „die von der Schla- werie“. In Anlehnung an Wingert setzt Gil- lenberg die Ansiedlung dieser Arbeiter um 1683 an, macht aber aus den Hugenotten Wallonen, die als Arbeiter gekommen sein sollen, als das damals ruinierte Werk an- geblich von dem belgischen Hüttenmeister Remacle Joseph Hauzeur wieder aufgebaut und in Gang gesetzt wurde. Da die Woh-
 Hoppstädter widmete 1949 der Frage nach der Herkunft der Neunkircher Schlawerie einen längeren Beitrag in der Lokalpresse (18).
Als erste Erwähnung nennt er 1791, auch die Nebenform „Schlapperie“. Er grenzt den Ortsteil vom Neunkircher Hof ab und sieht in der Schlawerie eine „zweifels- frei“ mit der Gründung der Oberschmelz (1749) entstandene Arbeitersiedlung. Unter Anknüpfung an die Slawentheorie bringt Hoppstädter die Entstehung des Namens in Zusammenhang mit der deut- schen Auswanderung in slawische Ge- biete (Galizien, Batschka, Banat), aber auch mit der Aufteilung des Königreichs Polen unter den benachbarten Mächten. Als analoge Namenstypen, die auf aktuelle geschichtliche Ereignisse zurückzuführen sind, nennt Hoppstädter pfälzische Orts- randsiedlungen, „wo sich zunächst ärmere Leute eine notdürftige Unterkunft schufen“, z.B. „Lawandee“, deren Benennung auf die Aufstände in der Vendée während der Französischen Revolution zurückzuführen ist. Zwanzig Jahre später nahm Hoppstäd- ter das Thema erneut auf und konnte mit „1765 Schlabery“ die Ersterwähnung um ein Vierteljahrhundert früher ansetzen. Aus diesen Ausführungen geht hervor, dass seine Deutungsvorschläge, welche die von 1949 wiederholen, auf einer briefliche Mitteilung des bekannten Kaiserslauterer Namensforschers Prof. Ernst Christmann beruhen, der „Schlawerie“ als armselige Arbeitersiedlung deutet, die im Volks- mund, wie analoge Fälle zeigen, Namen von oft exotischen Gegenden erhalten, die jeweils „Brennpunkte“ des Zeitgeschehens waren. Deutlich wird hier die Begründung
der „Slawentheorie“: Es ist nun gar nicht nötig, dass tatsächlich aus slawischen Gebieten stammende Arbeiter dort an- gesiedelt wurden, und doch kann eine sol- che Benennung erfolgen. Es kommt dann wieder der Hinweis auf die Auswanderung der Deutschen in die donauschwäbischen Gebiete. Letztere waren freilich noch nicht von den Slawen besiedelt, aber dort trafen unsere Auswanderer mit Serben, Rumä- nen und Slowaken zusammen, und ihnen musste die tieferstehende slawische Kultur und Lebensart den Eindruck des Schmutzi- gen, Nachlässigen, Liederlichen machen, und es konnte in der Heimat, wohin die
Auswanderer zunächst noch Verbindungen hatten, ,Slawerie‘ zur Nennung eines Orts- teils werden, wo ärmere Leute ärmliche Häuser errichteten und die Wegverhält- nisse sowie das ganze äußere Bild noch einen recht ungünstigen Eindruck mach- ten. Diese Erklärung kann freilich zuerst nur Hypothese sein. Die gedankliche Assoziierung von „Schlawerie“ mit dem Volksstamm der Slawen liegt nun freilich nahe. Sie wird gestützt durch Anklänge an Wörter wie das noch heute lebendige Wort „Schlawiner“ und das in Mundartwörter- büchern belegte „Schlawak“, die beide slawische Volksgruppen bezeichnen. Schlawiner in der Bedeutung ‚Nichtsnutz‘ (im Österreichischen), ‚pfiffiger, durch- triebener Kerl‘ leitet Wahrig von den Slo-
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