Page 10 - Ausgabe 094 / Juni 2020
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 Eine Rede, die die Welt verändern sollte
Richard von Weizsäcker hat mit diesem Vortrag Maßstäbe gesetzt
Menschen anders und besser geworden“. Auch dieser Satz hat heute, 35 Jahre nach sei- ner Rede, nichts an Richtigkeit und Relevanz verloren. Im Gegenteil. Dr. Gallo: „Ich kann jeden nur bitten, diese Rede aufmerksam zu lesen. Die Gedenkrede Richard von Weizsä- ckers ist ein Vermächtnis für uns alle.“
Die Woogsacker Mühle in Niederbexbach Fotoquelle: Martin Baus
Richard von Weizsäcker war es, der eine völlig neue Perspektive auf den 8. Mai 1945 eröffnet hat. Bis dahin war das Datum eher nicht als „Tag der Befreiung“ empfunden worden, sondern – vor allem von Zeitzeugen – als Tag der Niederlage, der Schmach, des Untergangs, der Demütigung. Sich der Wahr- heit zu stellen, fiel zu der Zeit den meisten Menschen schwer. Die aus der Leugnung und Verdrängung in der Folgezeit entstehen- den gesellschaftlichen Konflikte prägten die Bundesrepublik Deutschland. Das ist die ei- ne Seite von Weizsäckers Rede: Er hat Deutschland von diesem Trauma und der in- neren Zerrissenheit befreit. Aber er hat die Menschen nicht von ihrer Verantwortung be- freit, sondern ihnen fundamentale Aufträge
 Am 15. April 2020, wäre der ehemalige Bundespräsident Richard von Weiz- säcker 100 Jahre alt geworden, ein Mensch, der sicher zu Recht als Ideal- typus eines Staatsoberhauptes angese- hen wird. Der Saarpfalz-Kreis, unsere Region, steht übrigens in enger Verbin- dung zur Familie Weizsäcker: Die Vor- fahren des einstigen Bundespräsiden- ten bewirtschafteten im 17. Jahrhundert die Woogsacker Mühle in Niederbex- bach, jeder, der die Brücke zwischen Niederbexbach und Altstadt quert, fährt an dem alten Gehöft vorbei.
 Die Rede, die von Weizsäcker am 8. Mai 1985 anlässlich des 40. Jahrestags des Kriegsendes vor dem Deutschen Bundestag gehalten hat, ist eine der Reden, die die Welt veränderten – oder zumindest verändern sollte. Von Weizsäcker wollte dieses Ziel er- reichen, er wünschte es sich aus eigenen persönlichen Erfahrungen und aus tiefstem Herzen. Bundestagspräsident a.D. Norbert Lammert würdigte die Rede als ein „starkes Signal mit nachhaltiger Wirkung nach innen wie nach außen“.
Bei „Landrat macht Schule“ in der Geschwister-Scholl-Schule in Blieskastel Fotoquelle: Sandra Brettar
Heute stellt sich die Frage, wie nachhaltig diese Rede wirklich war. Was ist davon an- gekommen, was ist haften geblieben?
Dr. Theophil Gallo, Vorsitzender der Sieben- pfeiffer-Stiftung und ebenso der Deutsch-Pol- nischen Gesellschaft Saar, diskutiert und kommentiert dies aus Anlass des Jahrestages: „Richard von Weizsäcker hat mit dieser Rede Maßstäbe gesetzt. Die Rede ist ein gewalti- ger Schritt der deutschen Vergangenheitsbe- wältigung, auch der Versöhnung. Sie ist Pro- gramm für alle Nachfolgegenerationen, die mit dem ‚Dritten Reich‘ und seiner Barbarei, mit den schrecklichen Auswirkungen und Folgen des Zweiten Weltkrieges, nichts mehr zu tun haben. Und sie ist Vermächtnis eines
großen Deutschen an uns alle.“
Von Weizsäcker hat weitaus mehr gesagt als das, womit ihn Bundespräsident Steinmeier würdigt. Danach habe er „mit seiner Gabe zur Versöhnung“ und „zur Wahrhaftigkeit gegen Jedermann (...) unser Land zum Bes- seren verändert, nach innen wie nach au- ßen“. Aber hat er das tatsächlich getan, ging von seiner Rede tatsächlich eine solche Wir- kung aus?
Ohne von Weizsäcker, einem großartigen Staatsmann und seiner fulminanten Rede auch nur ein Jota an Bedeutung nehmen zu wollen, bleibt bei kritischer Betrachtung nur das ernüchternde Fazit, dass diese Würdi- gung eher Wunschdenken ist als Wirklich- keit. Oder ist es nicht vielmehr so, dass wir noch in erheblichem Umfang nacharbeiten müssen, um uns Weizsäckers Vision anzu- nähern. Eigentlich müssten wir sie vielleicht permanent, Tag für Tag, leben.
Keine Frage: Wenn eine Rede Beachtung verdient und heute mehr denn je aufmerk- sam gelesen und verstanden werden soll, dann diese. Dr. Gallo weiter: „Von Weizsä- cker hat so viel Wahres und heute noch Wertvolles und Wichtiges angesprochen, dass seine Rede unverzichtbar in Lehrpläne, in den Schulunterricht, in die akademische wie in die öffentliche Diskussion gehört. Vie- le vergessen heute die Verantwortung, die mit zunehmendem zeitlichem Abstand zu den Ereignissen vor dem 8. Mai 1945 mehr denn je an Bedeutung gewinnt. Weizsäcker hat am Ende seiner Ausführungen gesagt: „Die Jungen sind nicht verantwortlich für das, was damals geschah. Aber sie sind ver- antwortlich für das, was in der Geschichte daraus wird.“ Und von Weizsäcker weiter: „Wir lernen aus unserer eigenen Geschichte, wozu der Mensch fähig ist. Deshalb dürfen wir uns nicht einbilden, wir seien nun als
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