Das „sündige Dorf“ und seine Gaststätten Teil 1
Eine interessante Reise durch das frühere Bexbach
Bis heute hat sich umgangssprachlich die Bezeichnung „das sündige Dorf“ für Bexbach quer durchs Saarland und in der nahen Pfalz erhalten. Aus verschiedenen Aufzeichnungen des 19. Jahrhunderts ist überliefert, dass der aufgrund des vermehrten Steinkohlenbergbaus seitens des bayerischen Staates (Staatsgrube Mittelbexbach) und/oder privater Betreiber (August Ferdinand Culmann in Frankenholz) erfolgte Bevölkerungszuwachs die „Struktur des bisherigen Bauerndorfes“ (Zitat Dr. Ludwig Nieder 1909) stark veränderte. Junge und ältere Bergleute „vergeuden ihren Verdienst in Wirtschaften und sorgen für schlimme familiäre Verhältnisse“ (Zitat des Ortspfarrers Johannes Storck 1859).
Die Zahl der Gastwirtschaften stand denen größerer Städte wie Homburg und Neunkirchen kaum nach. An jeder Ecke befand sich ein Bierlokal. Vor allem in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts erlebte Bexbach einen Boom, hinzu kamen neue Gastronomiekonzepte wie Clubs nach amerikanischem Vorbild. Dazu gehörte u.a. der „Schlossgarten“ in der Maxstraße, auch „Hoch Trepp“ genannt, Inhaberin: Helene Ecker geb. Schulz oder Stripbars wie die „Lido-Bar“ in der Grubenstraße und der „Kings-Club“ zunächst als gediegene Bar (Frau Meinerzag „die Zaggen“), später Einsiedler in der Rathaus-Ecke Johannesstraße (heute: Johannes-Bossung-Straße). Nachstehend werden die bekanntesten Gasthäuser, Wirtschaften, Cafés und Vereinslokale von Bexbach aufgeführt. Es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit, was die Betreiber, Mieter oder Pächter angeht. Hier herrschte große Fluktuation und erschwert genauere Angaben.
Grubenwirt und Ökonom Ludwig Poller sen. (später L. Poller jun., Blaser Nik.,Schmitt Karl, Planz Nickel) war mit seinem Lokal direkt auf dem Bergwerksgelände unweit der Schachtanlagen angesiedelt, deshalb auch „Gruwewertschaft“ benannt. Sie existierte schon 1858 und hatte als Vorbau eine mit russischem wilden Wein überwachsene Gartenlaube, unter der im Sommer öfters die Bergkapelle Bexbach aufspielte. Das zog viele Gäste aus dem nahen „Preußischen" (Wellesweiler, Neunkirchen, Wiebelskirchen usw.) an, weil im bayerischen Mittelbexbach das Bier einen halben Pfennig billiger war. Da sich allerdings die Bayern und die Preußen nicht immer so hold waren, kam es des Öfteren zu Raufereien. Das gehörte wie selbstverständlich zur damaligen „Koexistenz“. In ruhigeren Zeiten machten die Bexbacher ihren Sonntagsausflug mit Kind und Kegel zu „Schmitt-Karls“, wo es die besonders begehrten feinen Laugenbrezeln mit Salz und das „Gliggerwasser“ gab. Tatsächlich hatten die kleinen Flaschen als luftdichten Verschluss eine Glaskugel (Gligger), die zum Ausschenken heruntergedrückt werden musste.
Von Richtung Bexbacher Grube zur Grubenstraße war das Lokal von Albert Schulz (Päckelches) angesiedelt, neben dem Anwesen der Familie Conrad auf dem Parkplatz vor dem ehemaligen Kraftwerk St. Barbara. Diese Häuser stehen nicht mehr, genauso wie das Gasthaus Lauer, das sich Richtung Wellesweiler an der heutigen Ecke Streitweg/Industriering befand. Es gab in der oberen Grubenstraße die „ Industrieschänke“, auch „Oase“ genannt. Die Pächter hießen Neu und Gabriel. Standort war die ehemalige „Villa Esswein“ (Wohnhaus von Kommerzienrat Rudolf Eswein, Mitinhaber des gegenüberliegenden Ziegelwerks). Die Ziegelei schloss wegen Rohstoffmangel 1962 ( später Fa. Eberspächer). Das Gasthaus „Kurpfalz“ an der „Kreizschdroohs“ bzw. Drehscheibe mit dem großen „Ziegelhüttersaal“ (Betreiber u.a. Esswein, Zentz-Hell, die „Glierich Memm“, Bremer, Schneider, Eder) befand sich nahe der Bahngeleise, die vom Bexbacher Bahnhof Richtung Grube führten (Luitpoldbahn). Das Gebäude aus der Jugendstilzeit steht noch, der Saal wurde in den 70er Jahren abgerissen. Während des Krieges waren darin französische, russische und ukrainische Kriegsgefangene untergebracht, die in der Ziegelei als Zwangsarbeiter eingesetzt waren. Die Geleise zum ehemaligen Falzziegelwerk wurden erst kürzlich demontiert, die imposanten Werksgebäude abgerissen. Sie machen einem Wohngebiet Platz.
„Frischer Wind“ hieß das Lokal mit Kegelbahn in der Eberfurterstraße (Beck, Braß, Walter). Lange wurde der traditionsreiche „Pfälzer Hof“ (Baschab Alfons+Otto, Backes Valentin, Bremer), das spätere „Old Bexbach“ (F. Matthes) in der Wellesweilerstraße betrieben. Es gab die „Scheen Muddi“ (Elisabeth Peters, Schwiegermutter von Hans Leis), eine kleine Lokalität bei der Tankstelle und Autofirma Gebrüder Leis am Zollstock Ende der Wellesweilerstraße und in der „Lang Fuhr“, der heutigen Susannastraße die „Grüne Laterne“ (Wagmann), die Weinstube „Susanne“ sowie die „Bergschänke“, später umbenannt in „Zum alten Fritz“ (Lensch Fritz+Brigitte) gefolgt vom „Goldenen Stern“ in der Bahnhofstraße. Inhaber war der kurzzeitige kommunistische Nachkriegsbürgermeister und spätere „Mülltonnenausbrecher“ Karl Klein, gefolgt von Berta Mauß) in der Bahnhofstraße.
Die Bahnhofswirtschaft führte um die Jahrhundertwende der Gastronom Hans, später Malik. Bekannt weit und breit war jedoch eine der kleinsten Lokalitäten, das berühmte „Budche“ (Eigentümerin M. Klein, Pächter Neumann Kättche und Tochter Doris, I.+G. Buljabasic), sowie das Posthorn (Kirsch, Kaster L., Ebel Wolfgang, Schirra). Im Untergeschoss führte „de Loui“ Gabriel ein für seine Toleranz gegenüber sexuellen Minderheiten bekanntes Lokal samt Kegelbahn. Auch der „Kennedy“ (Ewald Lang) war hier Betreiber. Später hieß es „Street Life“, heute „Kuba“ (K. Arndt). Es folgte Richtung Stadtmitte der ehemalige „Stammtisch“ (Ruffing W.), heute „Zum Iwan“ . D. Wachs ließ mit seinen Freunden jahrelang die „Beddschbacher Kerb“ vom Billard-Cafe-Bistro aus hochleben (heute Praxis Dr. Mehnert).
Die Cafés in der Bahnhofstraße waren Peter Betz, Hausnummer 6, gefolgt von den beiden Häusern Nieder-Zintel (Zintels Lina)“ (Jul. Wieser, E. Demerath) und Hau, auch „Café Näwedraan“ genannt; in den frühen 80er Jahren eröffnete im Untergeschoss die Disko „Butterfly“, später „La Belle“ (Karin + Bernd Hau), heute Steakhaus Kettner. Im jetzigen Tattoo-Studio wurde von Hans Collnot ein weiteres Cafe betrieben. Am Aloys-Nesseler-Platz gab es ebenfalls zwei Lokalitäten, das „Cafe am Markt“ (Burg Eva) und das erst kürzlich geschlossene „Kroko“ (Nicole Opitz) mit schönem Außenbereich.
In der oberen Hauptstraße betrieb Bäcker Omlor auch ein Cafe, nach dessen frühen Tod eröffnete hier die „Christine“ (Hofmann). Einige Häuser darunter befand sich „Harys Wirtschaft“ (Grünewald, Weis, Saki, Hobbe, heute: Murmels), gefolgt an der Ecke Rathaus/Uhlandstraße vom Café und der späteren „Deutschen Weinstube Blaue Maus“ (Alfons Nieder, Didion, Schlosser), sowie neben dem Rathaus „Benders Wirtschaft“ (1831 erster Wirt Jak. Wagner II, seit 1841 Adam Bender, vorher Müller der Rothmühle,) mit Hotel und Kinosaal, ab 1970 unter Ebel Carola und Karl als Restaurant und Hotel betrieben (heute indische Spezialitäten). Jakob Wagner führte hier bereits im Jahre 1831 eine Gastwirtschaft mit Brennerei. Unterhalb des Bürgermeisteramts folgten „Ganthers Wirtschaft“ (hier war im III. Reich das sog. „Braune Haus“ untergebracht) und gegenüber Rankersch Wirtschaft, der „Ratskeller“ (Ranker Nikolaus+Otto, Schulz Alb., Bastian Adolf, Schekat Fritz, Jungfleisch, Molls Renate) sowie am Aloys-Nesseler-Platz das „Gasthaus zum grünen Tal“ (ehemaliger Betreiber der Bahnhofswirtschaft Hans, Friedr. Breit, Emil Baumgärtner, Agne, Hönsch), dicht gefolgt seit den 70er Jahren von der „Rotisserie Kupferkanne“ und „Klimbim“ (Schneider Hermann, Lensch, Spang) seit 1986 das „Charlys“. Betreiberin Karin Schulz-Hau gehört somit als längste agierende Wirtin zum Urgestein der Bexbacher Gastronomie.
In der ehemaligen Rosenapotheke von „Bartels“ gab es bereits im frühen 19. Jahrhundert ein Gasthaus, gefolgt von der Wirtschaft und Bäckerei Omlor mit Kegelbahn, kleiner Hausbrauerei und Branntweinbrennerei („Omlor Bäckerches“). Das mittlerweile abgebrochene Gebäude war ein architektonisches Kleinod, das trotz erheblicher Widerstände von einem Großinvestor abgerissen und modern bebaut wird. Einige Häuser weiter befand sich das Schanklokal von Albert Burkhard („Breedches“) in der Oberbexbacher Straße; 1922 erfolgte der Anbau eines Theater -und Tanzsaales (Wirte Max Ellert sowie Lina+Max Sandmaier). Sohn Albert betrieb in den 60er Jahren hier die „Ponderosa“. Richtung Oberbexbach in Höhe Pestalozzistraße folgte „Winter‘sch Wirtschaft“ (Jakob Winter), später „Kapelleck“ (Jak. Winter, Joh. Schley) und hinter der Kreuzung Oberbexbacher/Friedrichstraße das „Weiße Rössel“, im Jahr 1896 erbaut von Kaufmann Friedrich Klein, später Heidinger.
Um den alten Marktplatz konzentrierten sich mehrere Wirtschaften. Bereits seit 1861 existierte das Gasthaus Schirber (Steimer A. (gen. „die Lott“), Spies Fr., Schneider H+G). Der Wirt und Bürgermeister Michael Schirber hatte in Bexbach auf dem Gelände der heutigen Volksbank und Polizei eine Bierbrauerei errichtet und konnte sein eigenes Bier verkaufen. Später erfolgte durch seinen Sohn die Umwandlung in die „Saarpfälzische Malzfabrik Albert Schirber“. Erwähnenswert sind das Pächterehepaar Trudchen und Hermann Schneider. Mit viel Geschick verstanden es die beiden, aus dem alten Gemäuer eine gut besuchte und gemütliche Lokalität zu schaffen. Es gab eine kleine Bühne mit einem gemalten Bild vom Blumengarten, auf der eine Musikband zum Tanzen aufspielte und viele Gäste anzog. Schneider selbst war Schlagzeuger. Die gut bürgerliche Küche war bekannt im Dorf. Die Schneiders waren nach dem Abbruch des traditionsreichen Hauses Wirte der ersten Stunde in den „Höcherbergstuben“. 1979 eröffneten sie in der Kleinottweilerstraße unterhalb des jetzigen „Lidl“ die Pension „Haus Ute“ und führten sie bis ins hohe Alter. Sie waren lange Jahre der Inbegriff der Bexbacher Gastronomie. Gegenüber von Schirbers Wirtschaft betrieb der Metzger „Klein Hennrich“ ein ebenfalls bekanntes Gasthaus, die spätere “Karlsberg-Stube“. Nach dessen Abbruch in den 70er Jahren entstand unter Sohn Kurt Klein im Kellergeschoss des Neubaus der „Stadtkeller“ in historischem Ambiente (K. Klein, Wolfgang Schmitz, Hans-Jürgen Hofmann „Hobbe“). Von der alten Zeit kündet noch heute an der Außenfassade eine Statue des Bierpatrons Gambrinus mit einem gefüllten Krug in der Hand.
Es gab unterhalb der katholischen Kirche eine von Metzgermeister Karl Winter gegründete Wirtschaft, später das Kaufhaus Johann Pirrung & Söhne, heute „Funz‘l“ (K.+B. Priester). Ursprünglich befand sich im Erdgeschoss der Schankraum und im 1. Stock ein Tanzsaal. Hier wurde 1904 das Festessen des Neupriesters Ludwig Nieder – einem Verwandten der Winters - und 30 Jahre später das von Pfarrer Richard Fremgen eingenommen. Pächter waren K. Janser, A. Heller, A. Steimer („die Lott“), Max Ellert, zuletzt F. Lensch.
Fortsetzung folgt
Text und Fotos: H.J. Britz