Ältester Verein Bexbachs
Die Knappen feiern 160 Jahre (Teil I)
Am Barbaratag, 4. Dezember des Jahres 1859, wurde in der Pfarrkirche St. Martin in Mittelbexbach in feierlicher Weise der St. Barbara-Verein für Berg- und Hüttenleute ins Leben gerufen. In feierlicher Prozession unter Vorantritt der Mittelbexbacher Bergkapelle und mit Obereinfahrer Eugen Müller an der Spitze meldeten sich 80 Bergleute an. Abends fand eine Versammlung statt, in der Sinn und Zweck der neuen Gemeinschaft vorgestellt wurde.
Ihr direkter Nachfolger, die heutige „Bergknappenkameradschaft St. Barbara“ feierte coronabedingt das 160. Jubiläum nach, doch eigentlich sind es bereits 163 Jahre nach der Gründung. Die Bexbacher Gemeinschaft wurde nach den Vereinen von Ottweiler, Schiffweiler, Neunkirchen, Illingen und Uchtelfangen ins Leben gerufen. Sie gehört damit zu den ältesten dieser Art in der Saargegend und ist mit Abstand auch der älteste noch existente Verein in Bexbach und am Höcherberg. Der Ideengeber war gerade einmal ein Jahr in der Gemeinde als Pfarrer aktiv: Johann Storck (1829-1914).
Industrielle Revolution
Die sog. „Industrielle Revolution“ hatte auch in unserer Heimat im 19. Jahrhundert Einzug gehalten und viele bisher von der Landwirtschaft lebende Menschen wegen des besseren Verdienstes in die Kohlengruben gedrängt. Sicher gab es noch genügend Bauern und Landwirte, doch der Kohlenabbau auf den Staatsgruben gab der arbeitenden Bevölkerung mehr Lohn und Brot. Immerhin konnte sich der klassische Bergmannsbauer noch eine „Bergmannskuh“ leisten, womit eine Ziege gemeint ist. Manche betrieben im Nebenerwerb Landwirtschaft. Als dann aufgrund der besseren Transportmöglichkeiten per Bahn mit dem Bahnhofsneubau 1849 eine enorme Steigerung erfuhr, traten allmählich Probleme auf, die man vorher nicht kannte. Es war sehr viel Geld im Umlauf und der Fortschritt forderte seine Opfer. Vor allem junge Bergleute zwischen 18 und 24 Jahren frönten dem Alkoholkonsum. Silikose, die berüchtigte Staublungenkrankheit der unter Tage Arbeitenden zollte ihre ersten Tribute, während eine soziale Absicherung noch fast gänzlich fehlte. Grubenunglücke kamen aufgrund mangelnder Sicherheitstechnik und erhöhter Grubengasvorkommen immer wieder vor. Im königlich-bayerischen Steinkohlenbergwerk Bexbach, der sog. „Max-Joseph-Grube“ waren sie eher seltener. Dennoch wurde der ein oder andere „vunn de Grub geschlaah“, d.h. verunglückte oder starb während der Arbeit. Wohlstand und Armut gingen so manchmal Hand in Hand zu jener Zeit. 1850 wird aus unserer saarpfälzischen Region berichtet „Die Zahl der Armen rekrutiert sich aus dem Mittelstand. Der Lohn bleibt bei der Steigerung der Lebensmittelkosten nicht der nämliche, sondern wird herabgedrückt. Viele leben in doppelter geistiger und leiblicher Armut, besonders schlimm ist die Verwahrlosung der Jugend…Gefängnisse sind überfüllt und die Gemeindearmenpflege überfordert“. Die berüchtigten Steiger hatten ihren “Gickel“ und malträtierten nicht selten ihre Untergebenen. Die Bexbachr hatten Glück im Unglück: Die Bayerische Staatsgrube bezog fast alle höheren Bergbeamten ab Steiger zumeist aus dem katholischen Mileu und in Bexbach waren die meisten Einwohner ebenfalls katholisch. Im Preußischen Bergbau von Neunkirchen bis Luisenthal und zum Warndt hin hatten unter Kaiser Wilhelm als obersten Bergherrn und gleichzeitigem "Summus Episcopus" (Kirchenhoheit über die Protestanten) tatsächlich und mehrheitlich die evangelischen Steiger das Sagen. Diese Diskrepanz führte zu zahlreichen Streitigkeiten zwischen Obrigkeit und Untergebenen und sorgte für einen miserablen Ruf der Steiger. Manche Familie mit 10 Kindern kämpfte um ihre Existenz. Gerade die Bergarbeiterbevölkerung kennzeichnete damals ein erschreckend niedriges Niveau: unsittliches und leibliches Proletariat, Unkultur, Rohheit, Zügellosigkeit, Dürftigkeit und Elend. Erst viel später war es der berühmte Bergrat Leopold Sello, der anregte, Siedlungen und günstige Eigenheime für die bodenständigen saarländischen Bergarbeiter zu bauen, die sie durch eine gute Finanzierung in Angriff nehmen konnten. Davon zeugen noch heute zahlreiche saarländische Bergmannshäuser.
Noch bevor sich Gewerkschaften der Misere annahmen, war es die Kirche, die auf Abhilfe sann und vor allem auch den Bildungsstand der arbeitenden Berg- und Hüttenleute anheben wollte. Der Mainzer Bischof Wilhelm Emanuel von Ketteler und der ehemalige Schuster, später Priester Adolf Kolping aus Kerpen bei Köln waren die Vorreiter einer christlichen Sozialehre. Darauf blickend hatte im damals preußischen Ottweiler (zur Unterscheidung von Kleinottweiler hierzulande „Großottweiler“ genannt) Dechant Johann Anton Hansen 1855 bereits eine kirchliche Bruderschaft für Bergleute mit einer angeschlossen Unterstützungskasse gegründet. Er gilt seither als Begründer der katholischen Arbeiterbewegung an der Saar und man nannte ihn bald „Knappenvater“. Hansen gehörte zum Reformklerus der Trierer Diözese und war unermüdlich im Einsatz: als Gefängnisseelsorger, als Mitglied der preußischen Nationalversammlung und später Landtagsabgeordneter, als begnadeter Historiker, der viele Abhandlungen verfasste.
Die Hauptkongregation in Ottweiler
Sein Mitbruder Johannes Stork aus Mittelbexbach hatte sich intensiv mit Hansen ausgetauscht und fand die Idee auch für den bayerischen Teil unserer Region passend. Er übernahm wortgleich die Statuten und konnte am Barbaratag 1859 den Bexbacher Verein als Filialgemeinschaft der Ottweiler Erzbruderschaft angliedern. Hansen unterschrieb eigenhändig die neuen Statuten, der Bischof von Speyer bestätigte die Gründung. Die Vereinsmitglieder trugen zu öffentlichen Anlässen eine weiße Hose, eine schwarze Bergjacke mit Messingknöpfen, auf dem Kopf der bayerische Schachthut mit Löwenköpfen und weiß-blauem Federbusch sowie den bergmännischen Häckel (Bergstock) und das Arschleder. In späteren Jahren wurde die weiße durch eine schwarze Hose abgelöst Voran ging immer die Fahne mit zwei Fahnenjunkern mit Schärpen. Bis heute befinden sich im Bestand des Knappenvereins noch vier Fahnen. Es gab allerdings Bexbacher Gastronomen, die hinter vorgehaltener Hand die Vereinsgründung ablehnten und schlecht machten. Sie gingen davon aus, dass im zukünftigen Verein nur noch Moralapostel und Antialkoholiker zugange seien. Pfarrer Storck zerstreute die Zweifel schnell, denn es wurden nicht nur in der Kirche Versammlungen, Gottesdienste und Generalabsolutionen abgehalten, Auch die Säle der einheimischen Gastwirtschaften dienten für Vorträge, Weihnachtsfeiern und Theateraufführungen.
Die Vereinsziele
Zweck des Barbaravereins war die Förderung eines sittlichen und kirchlichen Lebens seiner Mitglieder. Weiterhin die Förderung einer christlich-liebevollen und wechselseitigen Ermunterung und Unterstützung sowie die Bildung einer Kasse für den Krankheits- und Sterbefall. Gesellige Unterhaltung sollte ebenfalls nicht zu kurz kommen. Eine Arbeiterbibliothek, die neben den Bergleuten auch dem katholischen Jünglings- und Gesellenverein zur Verfügung stand, wurde im Pfarrhaus eingerichtet. Knapp ein Jahr nach der Gründung zählte der Verein bereits 130-140 Personen, darunter einige Protestanten, die als außerordentliche Mitglieder geführt wurden. Pfarrer Storck setzte den Statuten den Wahlspruch Adolf Kolpings voraus: Religion und Tugend, Arbeitssamkeit und Fleiß, Eintracht und Liebe, Frohsinn und Scherz. Chronologisch waren die Vorsitzen bis 1946: Jakob Link, Petr Betz, Fritz Ostheimer, Johann Neumaier und August Kiehl. Sogenannte Kirchenparaden fanden am Barbaratag sowie an Fronleichnam statt. Außerdem hatte der Verein „in corpore“, d.h. gemeinsam mit der Fahne beim Begräbnis eines Mitglieds oder anderer hochgestellter Persönlichkeiten anzutreten. Wer bei einem Begräbnis fehlte, hatte 1,50 Mark als Strafe zu entrichten, „auch wenn er eine Schicht versäumen muss“.
Gründer Johannes Storck
Bis heute gehört Storck zu den großen Priestergestalten der Diözese Speyer. Er hatte das Herz am rechten Platz, denn es schlug für die Nöte der Menschen seiner Zeit. Ähnlich wie sein Trierer Amtskollege Hansen, galt er als Reformkleriker und setzte sich früh für die Arbeiterschaft und deren Rechte in Kirche und Staat ein. 1859, im ersten Jahr als Pfarrer und im Jahr der Gründung des Knappenvereins beklagte er sich über die zu kleine Kirche in Bexbach, die für 2000 Gemeindemitglieder nur 400 Plätze bot. Er führte Kollekten und Sammlungen durch, legte Geld in Eisenbahnobligationen an und hatte bereits einen guten Grundstock zum Neubau gelegt, als er nach Bellheim versetzt wurde. Dort ist sein Name bis heute an verschiedenen Stellen, auch an der Kirche zu finden. Er gründete ein Stift für Kindergarten, Arbeitsschule, Waisenhaus und ie Nieerlassung der Mallersdorfer Schwestern, ließ in Bellheim 18 Wohnungen für Jungverheiratete bauen und legte 1887 den Grundstock für den Speyerer Priesterunterstützungsverein und spendete aus seinem ererbten Privatvermögen soviel nach St. Ingbert, dass dort die Kapuziner ein Kloster errichten konnten, das Fidelishaus. Erst mit 85 Jahren ging er in den Ruhestand.
Wie sehr er an Bexbach hing, wird deutlich an jenem Geschenk, das er 3 Jahrzehnte nach seinem Weggang seiner ehemaligen Gemeinde machte. Es gehört bis heute zu den schönsten Sehenswürdigkeiten unserer Stadt: die neobarocke Kreuzigungsgruppe Ecke Gruben- und Wellesweilerstraße. Eine Tafel an der Seite bestätigt „Errichtet im Jahre 1897 von dem Herrn Joh. Storck, Pfarrer in Mittelbexbach von 1858-1869, jetzt Pfarrer, Dekan und Geistlicher Rath in Bellheim.“
Bergfest auf der Grube Bexbach
Ursprünglich wurden die Bergfeste auf den Barbaratag begangen, später verlegte man sie witterungsbedingt in den Juli. Auf das Mittelbexbacher Bergfest wartete man im gesamten Umkreis bis weit ins Preußische. Hier verstand man ab 1850 zu feiern. Morgens wurden Böller geschossen, das Dort war mit weißblauen Fahnen geschmückt, gegen 8.30 Uhr kommen die Knappen aus Ober- und Niederbexbach, Frankenholz und Höchen sowie die gesamte Belegschaft zum Bergamt zur Aufstellung der Parade. Das Arschleder wurde über die Tracht gezogen und unter Vorantritt der Grubenkapelle in den Ort marschiert. Dann folgten Gottesdienste in der katholischen bzw. evangelischen Kirche oder im Betsaal. Der Kayser’sche Betsaal direkt neben der katholischen Kirche wurde vom Altkatholiken Friedrich Kayser den Protestanten zur Verfügung gestellt, bis diese 1889 ihre eigene Kirche erhielten. Nach den Gottesdiensten begab man sich wieder auf den Rückmarsch zur Grube. Das Festmahl war vorbereitet, die Kessel dufteten. Es bestand aus Rindfleischsuppe mit Beilage, Schweinebraten mit Gemüse und einer Flasche Wein für den Hauer. Der Schlepper erhielt die Hälfte, später bekam jeder Knappe noch einen Schoppen Wein. Interessant war die Tatsache, dann einzig an diesem Tag die Bergbeamten ab Fahrsteiger ihre ansonsten „Untergebenen“ zu bedienen hatten. Ab 4 Uhr nachmittags war Tanz angesagt. Das bayerische Königshaus spendierte das Essen sowie 2-3 Schoppen Wein; was der Knappe mit dein Seine sonst noch verzehrte, musste er aus der eigenen Tasche bezahlen.
In der Tradition dieser Bergfeste standen lange Jahre die in Bexbach vom Knappenverein durgeführten so genannten „Grenzlandtreffen“, wo die Bergleute von Saarland, der Pfalz und von der Ruhr mit denen aus Frankreich und Luxemburg zusammenkamen. Eines der letzten und gleichzeitig größten fand in Bexbach im Jahre 1985 statt. Der damalige Umweltmister Dr. Berthold Budell und der Homburger Landrat Clemens Lindemann waren begeistert, als Hunderte von Bergleuten mit ihren schönen Uniformen und Federbüschen, begleitet von 4 Musikapellen durch die mit Fahnen geschmückten Straßen Bexbachs zogen und vor den Höcherberghallen die Bergparade abnahmen. Mitte Juni 2022 wurde wieder gefeiert, diesmal in abgespeckter Form: Nach der Hl. Messe in der Barbarakirche Oberbexbach formierte sich der Zug Richtung Volkshaus. Dort Bergparade und Aufspielen der Bergkapelle Saar.
Ein Bericht von Hans-Joseph Britz
Fortsetzung folgt.