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50 Jahre Kreisstadt Neunkirchen

Gebiets- und Verwaltungsreform 1974

Vor 50 Jahren, am 1. Januar 1974, trat im Saarland eine Gebiets- und Verwaltungsreform in Kraft, die im Dezember des Vorjahres per Gesetz geregelt worden war (Gesetz Nr. 986 zur Neugliederung der Gemeinden und Landkreise des Saarlandes -  Neugliederungsgesetz). Die Zahl der saarländischen Gemeinden verringerte sich von 345 auf 50, die Anzahl der Landkreise im kleinsten deutschen Flächenland ging von sieben auf fünf zurück. Der Stadtverband Saarbrücken entstand zusätzlich als neues Verwaltungskonstrukt.

Reform hat Fläche und Bevölkerungszahl Neunkirchens vergrößert
Für Neunkirchen bedeuteten diese Reformen eine Verdoppelung des Stadtgebiets von 37,19 Quadratkilometern auf 75,91 Quadratkilometer. Die Bevölkerung wuchs dadurch um ein Drittel von rund 42.000 auf rund 56.150 an. Und: Aus dem Kreis Ottweiler wurde mit kleinen Gebietsveränderungen der Landkreis Neunkirchen. Der Sitz des Kreises wurde von Ottweiler nach Neunkirchen verlegt. In die Stadt Neunkirchen wurden die Gemeinden Wiebelskirchen, Hangard und Münchwies aus dem Amt Wiebelskirchen, der Ortsteil Ludwigsthal aus der Gemeinde Bexbach, der Hirschberg aus der Gemeinde Niederbexbach, Menschenhaus aus der Gemeinde Spiesen, der Ortsteil Bayrisch Kohlhof aus der Gemeinde Limbach und der Ortsteil Eschweilerhof aus der Gemeinde Kirkel-Neuhäusel eingemeindet.

Reformen in allen Flächenländern
Die erheblichen strukturellen Änderungen in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg führten in den 1960er Jahren zu einer Phase des Wandels. Traditionelle Strukturen wurden aufgebrochen und man kehrte teilweise von ihnen ab. Modernisierungstendenzen setzten ein. Dagegen wollte man planerisch aktiv werden. In allen deutschen Flächenländern wurden, um diesem Zustand Rechnung zu tragen, zwischen 1965 und 1978 Neuordnungsmaßnahmen durchgeführt. Insgesamt führten die vielen Zündstoff enthaltenden und oft kritisch beäugten Reformen zu einer enormen Verringerung der Anzahl an Gemeinden und Kreisen im Bundesgebiet. Die Reformbestrebungen im Saarland kamen in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre auf.

Reformprozess im Saarland begann 1970
Nach den Landtagswahlen 1970 kündigte Ministerpräsident Dr. Franz Josef Röder in seiner Regierungserklärung von Mitte Juli konkret die Inangriffnahme der Reformen an. Der Startschuss war gegeben. Mitte Dezember 1970 verabschiedete der Landtag ein Vorschaltgesetz, das die Zielvorstellungen und Vorgaben definierte: Schaffung größerer Planungsräume und leistungsstarker Gemeinden, Verbesserung der Versorgung der Gesellschaft, Erhöhung der Verwaltungs- und Finanzleistung der Gemeinden, Zukunftsfähig-machen der Kommunen, Behebung der Raumnot der Kommunen, Vorantreiben des Ausbaus von Infrastruktur und der Daseinsfürsorge sowie Herstellung von mehr Bürgernähe. Der saarländische Innenminister Ludwig Schnur bildete eine aus Ministerialbeamten und Wissenschaftlern bestehende Expertenkommission. Deren Auftrag war die Ausarbeitung eines Vorschlags zur Neugliederung. Im März 1972 legte diese Beratergruppe schließlich ihren Abschlussbericht vor.

Verschiedene Modelle im Reformprozess diskutiert
Als Ziele für den Raum Neunkirchen legte sie fest: Schaffung einer leistungsfähigen Gemeinde im Verdichtungsraum, Ausbau als Dienstleistungszentrum gehobener Stufe, Ausbau des Gewerbes im industriellen Schwerpunktraum ersten Ranges sowie Förderung einer Wohnsiedlungstätigkeit zweiten Ranges. Die Einheitsgemeinde Neunkirchen sollte aus der Stadt Neunkirchen, Wiebelskirchen, Hangard, Ludwigsthal, Bayrisch Kohlhof, Eschweilerhof und Hirschberg bestehen (ein Alternativvorschlag sah noch Münchwies vor). Für die Kreiseinteilung (nach dem Fünf-Kreis-Modell) schlug das Gremium die Bildung eines Kreises Neunkirchen-Homburg vor (Sitz der Kreisverwaltung entweder Neunkirchen oder Homburg). In der Folgezeit wich man seitens der Landesbehörden von diesen Vorstellungen und Planungen zum Umfang der Stadt kaum mehr ab, mit der Ausnahme, dass der Alternativvorschlag Münchwies zu Neunkirchen geschlagen wurde. Von weitreichenden Eingemeindungen nahm das Gremium Abstand, da sich neben Neunkirchen auch andere Gemeinden der näheren Umgebung in einem strukturellen Wandel befanden und somit weitere Belastungen für das in der Strukturkrise befindliche Neunkirchen erwachsen würden. Bei der Kreiseinteilung machten andere Lösungsvorschläge immer wieder die Runde, wie etwa die von der CDU-Landtagsfraktion vorgesehene Bildung eines Drei-Kreis-Modells (auch eine Forderung der SPD) mit Neunkirchen als Sitz eines Landkreises Ostsaar (Ottweiler, St. Wendel, Homburg und St. Ingbert). Dieses Gedankenspiel wurde nach Widerständen, u. a. vom CDU-Innenminister, zügig korrigiert, um einer neuen Konstruktion der Kreiseinteilung Platz (u.a. Landkreis Ottweiler-St. Wendel) zu machen. Der im März 1973 vom Innenministerium vorgelegte erste Gesetzesentwurf sah schließlich bei der Bildung der Kreise Änderungen vor. Nun sollte Neunkirchen der Sitz eines Kreises Neunkirchen werden, der aus den Kreisen Ottweiler und St. Wendel gebildet werden sollte. Diese Vorstellungen änderten sich im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens nochmals und sahen im überarbeiteten, dem Landtag zur Beratung vorgelegten Gesetzesentwurf von Ende August 1973 die Bildung eines Kreises Ottweiler (neben einem eigenständigen Kreis St. Wendel) unter Beibehaltung des alten Kreissitzes vor, um dann letztlich im Neugliederungsgesetz vom 19. Dezember 1973 doch Neunkirchen den Vorzug zu geben.

Ziel Neunkirchens: Kreisstadt werden
Parallel zu der Ausarbeitung der Vorschläge von Landesseite stellte die Stadtverwaltung Neunkirchen Überlegungen an, wie die Gemeinde nach der Reform aussehen könnte. Bereits kurz vor Röders Regierungserklärung von Juli 1970 nahm die Stadtverwaltung die Ausarbeitung eigener Vorstellungen in Angriff. Diese Erörterungen bildeten die Grundlage für einen ersten Beschluss des Stadtrats im November 1970. Hatten die Neunkircher in den Jahrzehnten vor der Kreiswerdung und bis zur Erhebung in den Status einer Mittelstadt im März 1966 stets eine Auskreisung aus dem Kreis Ottweiler als Ziel verfolgt, änderte sich nunmehr die Stoßrichtung der Forderungen, indem die Verlegung des Kreissitzes nach Neunkirchen in den Fokus rückte. Gegenüber der „Zwangszentralität“ der Stadt Ottweiler bot Neunkirchen aufgrund seiner Stellung und Ausstrahlung als größtem und überdurchschnittlich ausgebauten saarländischem Mittelzentrum mit einem Versorgungsbereich von rund 159.000 Menschen sowie seiner zentralörtlichen Funktionen und überdurchschnittlichen Ausstattung ideale Voraussetzungen für eine Verlegung des Kreissitzes. Neunkirchen war der Ort mit einem wesentlich höheren Zentralitätsgrad. Von dem Einsatz der Finanzmittel und Verwaltungskraft für öffentliche Einrichtungen profitierte nicht nur die Neunkircher Bürgerschaft, sondern eben auch ein weiterer Kreis an Menschen im Zentralitätsbereich der Stadt. Dadurch leistete die Stadt einen Beitrag zum infrastrukturellen Entwicklung des ländlichen Raums, was einer Abwanderung von Teilen der Bevölkerung in Großstädte oder Ballungszentren entgegenwirkte. Den Mangel an Flächen in der Kernstadt für Industrieansiedlungen oder Siedlungsbebauungen sollten durch einen entsprechenden Gebiebtszuschnitt kompensiert werden. Den städtischen Akteuren schwebte eine Großstadt mit 124.000 Einwohnern vor, deren Entwicklungsraum im Süden der Stadtgrenzen lagen. Bis März 1972 blieben die Gedanken der Verwaltung weitestgehend intern. Lediglich andere Verwaltungsstellen wurden informiert. Aus taktischen Gründen waren sie offiziell zunächst nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Erst nach dem Bekanntwerden des Expertengutachtens, das die Neunkircher Erwartungen „erwartungsgemäß“ nicht erfüllte, und den dadurch einsetzenden Diskussionen trat der Oberbürgermeister mit den Neunkircher Gedankenspielen im März 1972 an die Öffentlichkeit, um einen Prozess der Meinungsbildung zu aktivieren. Die Neunkircher Ansprüche auf den Erhalt des Kreissitzes und einen angemessenen Zuschnitt stellte das Verwaltungsoberhaupt immer wieder in der Öffentlichkeit vor. Die von der Landesregierung als unzureichend angesehenen Lösungen kritisierte Oberbürgermeister Paul Kolb kontinuierlich und unermüdlich. Im Zuge der im Vorschaltgesetz eingeräumten Freiwilligkeitsphase zum Zusammenschluss von Gemeinden suchte die Stadtverwaltung Gespräche zur Sondierung der Lage mit verschiedenen Umlandgemeinden. Sehr konkret wurden die Verhandlungen mit der Gemeinde Kirkel-Neuhäusel. Dort entschied der Gemeinderat Anfang November 1971 Verhandlungen mit umliegenden Städten, darunter auch Neunkirchen, aufzunehmen. Eine Anfang Dezember 1971 im Neunkircher Stadtrat gebildete Verhandlungskommission für Gebietsveränderungen im Zuge der Gebiets- und Verwaltungsreform konnte bereits wenige Tage später über einen Kirkeler Entwurf eines Gebietsveränderungsvertrages beraten. Im Mai 1972 kam es schließlich mit der Ratifizierung eines Grenzänderungsvertrags, der die Eingliederung Kirkel-Neuhäusels nach Neunkirchen vorsah, zum erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen. Auch wenn in Neunkirchen und Kirkel im gesamten Reformverfahren eine Umsetzung des Vertrages gefordert wurde, der dem Neunkircher Drang nach Süden Rechnung trug, spielte er allerdings in den Überlegungen des Innenministeriums offensichtlich nie eine Rolle. Dort sah man eine Ausrichtung der Gemeinde Kirkel nach Homburg hin. Eine Rückmeldung oder Erklärung aus Saarbrücken gab es indes nicht. Der Neunkircher Stadtrat unterstützte weitestgehend parteiübergreifend die von der Verwaltung eingeschlagenen Wege. In mehrere Resolutionen und Stellungnahmen trat er für die Vorschläge der Verwaltung ein und wandte sich gegen die Zielvorstellungen der Arbeitsgruppe und die in den Entwürfen des geplanten Gesetzes vorgeschlagenen Lösungen, die einer sinnvollen Entwicklung des Raums Neunkirchen nicht entsprachen und den Zielvorgaben der Reform nicht gerecht wurden. Von Bürgerseite setzte sich der 1969 gegründete Neunkircher Verkehrsverein, nachdem dessen Präsident (i. e. Neunkirchens Oberbürgermeister) in dessen Mitgliederversammlung vom März 1973 zu bürgerlichem Engagement aufgerufen hatte, für die Neunkircher Zielvorstellungen ein. Die vom Verkehrsverein erarbeitete PR-Kampagne „Aktion Gebietsreform“ (Slogan „Neunkirchen hat Kreisstadtreife“) erfolgte im Sommer 1972 durch eine Werbemaßnahme, der Ausarbeitung einer kleinen Druckschrift und Vorsprachen bei Ministerpräsident Röder und Innenminister Schnur. Weitere öffentlichkeitswirksame Tätigkeiten folgten nicht mehr. Kurz vor Ablauf der Frist des gesetzlich festgelegten Anhörungsverfahrens Mitte Juni 1973 gründete sich in Neunkirchen auf Anregung der Stadtverwaltung hin eine „Bürgerinitiative Gebietsreform“. Durch eine Bürgerversammlung, eine Unterschriftenaktion und Besuchen bei saarländischen Ministern versuchte man so nochmals Einfluss auf die Entscheidungsfindung der entscheidenden Gremien zugunsten Neunkirchens zu nehmen. Insgesamt dürften die sowohl vom Verkehrsverein Neunkirchen als auch der Bürgerinitiative Gebietsreform initiierten Maßnahmen sich im Rahmen gehalten und wenig Wirkung gezeigt haben. Nachhaltigen Einfluss auf die Entscheidungen der obersten Verwaltungsbehörden der Abgeordneten des saarländischen Landestags hatten sie nicht.

Widerstände im Reformprozess
Im Amtsbezirk Wiebelskirchen plädierten die Gemeinden und die Gemeindeparlamente seit Ende 1970 für die Bildung einer Einheitsgemeinde Wiebelskirchen, d.h. für den Zusammenschluss der bisherigen amtsangehörigen selbstständigen Gemeinden zu einer Gemeinde. Dies wurde als einzige Möglichkeit in Betracht gezogen, die Selbstständigkeit zu wahren. Eine Eingemeindung in benachbarte Orte wollte man dadurch verhindern. Eine Auflösung der seit 150 Jahren gewachsenen Einheit lehnten die Verantwortlichen kategorisch ab. Entsprechende Anträge – das Vorschaltgesetz sah in einer Phase der Freiwilligkeit die Option von Zusammenschlüssen vor – legte man 1971 dem Innenministerium vor, das diese jedoch konsequent in der Folgezeit ignorierte. Über sämtliche Anhörungsverfahren hinweg lehnten Wiebelskirchen, Hangard und Münchwies eine Zusammenlegung mit Neunkirchen ab – in Wiebelskirchen sah man sich als „Opfer“, das zur Vergrößerung der Stadt Neunkirchen hinhalten musste. Erst als es unausweichlich schien, fügten sich die Gemeinden Fürth und Lautenbach ihrem Schicksal und stimmten der nun vorgesehenen Eingemeindung nach Ottweiler zu (anfangs hatte hier die Eingliederung der beiden Gemeinden in eine neu zu formierende Einheitsgemeinde Niederkirchen im Raum gestanden).

Neunkirchen – Die „Titularkreisstadt“

Das schon während des Reformverfahrens Anfang der 1970er heikle Thema der Kreissitzfrage stand in den späteren Jahrzehnten auf der Agenda. In Neunkirchen packte man das heiße Eisen „Bau eines Landratsamts“ rasch an und forderte das gesetzlich verbriefte Recht der Verlegung des Kreissitzes ein. Die Gegner aus Ottweiler verwiesen stets auf die enormen Kosten, die mit einem Neubau eines Landratsamts in Neunkirchen verbunden waren und die in Ottweiler bestehende Infrastruktur. Außerdem hielt man an der in Betracht gezogenen phasenweisen Übersiedlung fest. Zu Beginn der Reformdiskussionen 1970 hatte die Stadtverwaltung für den Bau das Gelände des Platzes zwischen Finanzamt und Bachschule im Auge. Nach dem Vollzug der Reform lagen mehrere Standortalternativen vor. Dabei kristallisierte sich, u. a. vor dem Hintergrund der Stadtsanierung im Rahmen der Bildung eines Verwaltungszentrums am Oberen Markt der neue Markt als Standort für das Verwaltungsgebäude heraus, wo entsprechende Flächen seitens der Stadt vorgehalten wurden. Halbherzige Planungen kamen beim Landrat in Ottweiler in Gang. Zu konkreten Ergebnissen führten sie nicht. Als Gründe führte das Landratsamt meist die nicht vorhandenen finanziellen Mittel an, trotz im Vorfeld gegebener Zusagen seitens des Ministeriums, Zuschüsse geben zu wollen. Zum Scheitern trug jedoch auch die Tatsache bei, dass das Gelände städtischerseits nicht rechtzeitig baureif gemacht werden konnte. Neunkirchen blieb weiterhin „Titularkreisstadt“, da der Behördenchef seinen Amtssitz nicht in der Kreisstadt selbst hat, sondern weiterhin im „Provisorium Ottweiler“. Dennoch drängte Neunkirchens Oberbürgermeister Peter Neuber, wie auch dessen Nachfolger Friedrich Decker, stets auf die Verwirklichung der Gebiets- und Verwaltungsreform beim Landrat und Innenminister. Zu Beginn der 1980er Jahre stand eine Verlegung der landrätlichen Behörde in das damals noch recht neue Verwaltungsgebäude des Neunkircher Eisenwerks an der Saarbrücker Straße in Aussicht. Die Versuche scheiterten aber daran, dass das Land nicht Eigentümer des Geländes war. Alternative Flächen hielt die Stadt über mehrere Jahre am Boxberg für den Bau eines Landratsamts vor. Mit der Auslagerung der Straßenverkehrsstelle (und dem Schulpsychologischen Dienst) zu Beginn des Jahres 1989 nach Neunkirchen in die Saarbrücker Straße 40 (Villa Boehm) zogen erstmals Verwaltungseinheiten nach Neunkirchen (Dienstgebäude VI). Zwei Jahre später gab es erste Überlegungen am Neunkircher Standort einen Erweiterungsbau anzubinden. Nach einem Architektenwettbewerb 1997/98 konnten die Bauarbeiten kurz nach der Jahrtausendwende für das „kleine Landratsamt“ aufgenommen werden. Nach rund dreijähriger Bauzeit fand die Einweihung des Baus statt, in dem das Kreisjugendamt und die Ausländerbehörde untergebracht sind.

Rejustierungen nach der Reform 1974: Der Fall Bayrisch Kohlhof

Die Gebiets- und Verwaltungsreform war nach 1974 nicht unumstritten. Die im Zuge der Reform neugebildete Einheitsgemeinde Kirkel und die alte Gemeinde Limbach reichten Ende Juli 1974 eine Beschwerde beim Saarländischen Verfassungsgerichtshof gegen die Abtrennung der Ortsteile Eschweilerhof und Bayrisch Kohlhof ein. Beide Einsprüche wies das oberste saarländische Gericht Mitte November 1975 allerdings zurück, mit der Begründung, dass die Einbeziehung der Bereiche aus überwiegenden Gründen des öffentlichen Wohls gerechtfertigt gewesen war (andere betroffene Kommunen, wie etwa Dudweiler oder Bous, waren ebenfalls mit ihren Verfassungsklagen gescheitert). In der Gemeinde Kirkel regten sich ab Februar 1980 Stimmen, die eine Rückgliederung des Bayrisch Kohlhof und des Eschweilerhofs von Neunkirchen forderten. Vor dem Hintergrund von Zusammenlegungen in der Ortsrätestruktur im Neunkircher Stadtgebiet hatte sich in Münchwies im März 1980 eine Bürgerinitiative gebildet, die einen Anschluss an Bexbach forderte. Obwohl die Kirkeler Kommunalparlamentarier den saarländischen Landtag zu einer Rückgliederung der verlustigen Gebiete aufforderten, berücksichtigten weder Gesetzesentwurf von September 1981 noch das zum 1. Januar 1982 in Kraft getretene Gesetz Nr. 1134 die Interessen. Der Ausschuss für Innere Verwaltung des saarländischen Landtags hatte im Laufe des Gesetzgebungsverfahren im Oktober 1981 Innenminister Dr. Wicklmayr dazu aufgefordert, bei den Kommunen Neunkirchen und Kirkel nachzuhören, ob über einen Grenzänderungsvertrag über eine Herauslösung der Wohngemeinde Bayrisch Kohlhof (also der bebauten Ortslage) Verhandlungen aufgenommen werden könnten. Der Eschweilerhof wurde nicht in diese Überlegungen aufgenommen. Beide Verwaltungen signalisierten ihr Einverständnis. Bei einem Treffen auf Ebene der Verwaltungsspitzen zu Beginn des Jahres 1982 zeigten sich jedoch die verhärteten Fronten. Für die Neunkircher Führungsriege waren keine Änderungen in den Rahmenbedingungen zu den 1974 eingetretenen Regelungen erkennbar. In Kirkel standen die seitdem aufgekommenen menschlichen Probleme, die Trennung alter Bindungen, im Vordergrund. Nachdem eine gütliche Einigung nicht in Sicht war, ergriff das Innenministerium die Initiative und löste am 10. Mai 1983 per Rechtsverordnung die Angelegenheit, wonach zum 1. Juli 1983 die Wohnsiedlung Bayrisch Kohlhof in die Gemeinde Kirkel eingegliedert wurde. Hiergegen legte die Stadt Neunkirchen Verfassungsbeschwerde ein. Der saarländische Verfassungsgerichtshof kippte am 30. Januar 1984 die Verordnung, da er eine Verletzung des verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltungsrechts sah. Auf Landesebene kam es parteiübergreifend zu Aktivitäten, eine gesetzliche Grundlage für die Ausgliederung des Bayrisch Kohlhof, der seit 1. Februar 1984 wieder zu Neunkirchen gehörte, zu schaffen. Am 23. Januar 1985 verabschiedete der Landtag in Saarbrücken das Gesetz Nr. 1177 über die Eingliederung des Gebietes der Wohnsiedlung Bay. Kohlhof der Kreisstadt Neunkirchen in die Gemeinde Kirkel, das am 1. April in Kraft trat und Feierlichkeiten bei den „Gewinnern“ auslöste. Im März legte die Stadtverwaltung abermals Verfassungsbeschwerde ein. Durch Urteil vom 27. November 1985 wies der saarländische VGH die Neunkircher Beschwerde endgültig zurück. Die Hoffnungen auf eine Rückkehr des Bayrisch Kohlhof wurden begraben. © Stadt NK

Schenk, Silvia
25. Dez 2023