„Mehr offene und einladende Kirche sein“
Kann durch durch Änderung der kirchlichen Lebensordnung ermöglicht werden
Kirchenglocken können künftig mit ihrem Geläut als Warnsignale im Katastrophenfall eingesetzt werden. Eine entsprechende Änderung des Kirchenrechts verabschiedete die Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland, die in Düsseldorf getagt hat. Die Initiative für die Neuerung war nach dem verheerenden Hochwasser im Ahrtal und in der Eifel von den Evangelischen Kirchenkreisen im Saarland ausgegangen und bei der Landessynode 2022 eingebracht worden.
Kirchliche Amtshandlungen offener und Organisation vereinfacht
Mit der umfassenden Überarbeitung des sogenannten „Lebensordnungsgesetzes“, das die Landessynode beschloss, gehen tiefgreifende Neuerungen für das geistliche Leben der Kirchengemeinden und für die kirchlichen Amtshandlungen einher. Für Taufen, Trauungen und Beerdigungen außerhalb der eigenen Ortsgemeinde ist keine Ausnahmegenehmigung mehr notwendig. Auch die Taufe von Kindern, deren Sorgeberechtigten keine Kirchenmitglieder sind, ist künftig möglich, sofern die christliche Erziehung gewährleistet ist. Für die Übernahme einer Patenschaft sind nur noch die Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche und die Religionsmündigkeit Voraussetzung. Erforderliche Nachweise brauchen auch nicht mehr von den Familien selbst zusammengestellt zu werden, dieser Service wird künftig von den Gemeindebüros bzw. Verwaltungsämtern geleistet. Zwei wichtige Veränderungen betreffen das Abendmahl: Grundsätzlich sind nun immer alle Getauften zum „Tisch des Herrn“ eingeladen, statt Wein kann auch Traubensaft gereicht werden. „Im Ergebnis bietet damit die Lebensordnung nun deutlich mehr Freiheit“, freut sich Superintendent Markus Karsch vom Kirchenkreis Saar-Ost über die Neuerungen. Damit spiegele sie einen Wandel wider, der „genau das aufnimmt, was unser Anliegen im Saarland ist: mehr offene und einladende Kirche Jesu Christi sein und weniger preußische Ministerialbehörde!"
Zukunft der Kirche im Fokus
Die innerkirchlichen Reformen sollen mit diesen weitreichenden Beschlüssen aber nicht abgeschlossen sein. Zwei Tage diskutierten die Landessynodalen abseits des Plenums in Workshops und Forum zur „Zukunft der Kirche“, sammelten Ideen und Impulse. Es werde nun darum gehen, niederschwellige Angebote für Spiritualität im Alltag zu entwickeln, Sprache zu verändern, aber auch Menschen sprachfähig zu machen in Glaubensfragen, erklärt Pfarrerin Andrea Lermen, Klinikseelsorgerin auf dem Saarbrücker Winterberg. Miriam Wolf, Synodale aus Völklingen, sieht etwa eine Chance für die Kirche in einer größeren Zusammenarbeit mit Schulen, da Kinder und Jugendliche heute immer mehr Zeit dort verbrächten. Einig sind sich beide, dass die Arbeitseinheiten Formate seien, die sich bewährt hätten. „Ich habe in der Gemeinschaft dieser Landessynode genau das erlebt, worüber wir nachdenken: Aufbruch und Wandel. So ist Kirche authentisch und glaubwürdig“, findet Lermen. Auch im Hinblick auf das Saarland brauchte sich die Saar-Delegation auf der
Landessynode nicht zu verstecken. „Durch den Austausch mit den anderen
Synodalen habe ich gemerkt, wie viel weit wir in Sachen Zukunft der Kirche in
unseren Kirchenkreisen sind und das macht mich froh“, freut sich Miriam Wolf.
Alle Ideen der Landessynode werden in den kommenden Monaten weiter bearbeitet, später veröffentlicht und den Gemeinden zugänglich gemacht.
Nur noch 700 Pfarrstellen im Jahr 2040
Dass sich die Kirche in den kommenden Jahren weiter wandeln wird, ist indes eine messbare Tatsache. Bereits klar ist: Die derzeit 605 Kirchengemeinden in 37 Kirchenkreisen zwischen Emmerich am Niederrhein und Saarbrücken werden mit noch weniger Pfarrstellen auskommen müssen als gedacht. Vor neun Jahren war noch mit 1.000 Vollzeitstellen im Jahr 2030 geplant worden. Nun wird vorläufig von 700 Pfarrstellen im Jahr 2040 ausgegangen.
Kirchensteuern: Kipp-Punkt erreicht
Neben dem drastischen Rückgang an Pfarrstellen wird die rheinische Landeskirche künftig auch mit weniger Finanzmitteln auskommen müssen. Nach Jahren steigender Einnahmen trotz wachsender Austrittszahlen wurde 2023 der Kipp-Punkt erreicht. So sind die Kirchensteuereinnahmen im Vorjahr um sieben Prozent auf 707 Millionen Euro gesunken – das entspricht einem Minus von rund 54 Millionen Euro. Prognostiziert wird für das Jahr 2024 ein Gesamtkirchensteueraufkommen in Höhe von rund 693 Millionen Euro – ein Rückgang um weitere zwei Prozent gegenüber 2023. Steigende Gehälter sowie erhöhte Bau- und Verbraucherpreise kommen erschwerend hinzu. „Diese Entwicklungen müssen uns im Saarland absehbar besonders beunruhigen“, sagt Johannes Schmidt-Drewniok, Synodaler aus Saarbrücken. Denn hierzulande sind die Kirchenkreise traditionell deutlich finanzschwächer als die in anderen Regionen der Landeskirche.
Klare Position gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit
Klar positionierte sich die Landessynode gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit, Feindlichkeit gegen lesbische, bisexuelle oder transgeschlechtliche Selbstbestimmungen sowie antidemokratische Haltungen, wie sie auch in der AfD in vielen Ausprägungen zeige. Die Landessynode erklärte die politischen Grundsätze der AfD für nicht in Einklang zu bringen mit den Grundwerten der rheinischen Kirche. Insbesondere hinsichtlich Antisemitismus fanden die Landessynodalen deutliche Worte: „Antisemitismus ist Gotteslästerung und mit dem christlichen Glauben nicht
vereinbar“, heißt es in dem Beschluss. Die Landessynode verurteile den wachsenden Antisemitismus und sieht Christinnen und Christen in der Pflicht, entschlossen an der Seite von Jüdinnen und Juden zu stehen. Gleichsam begrüße man, dass sich die Bundesregierung weiter für die Perspektive einer Zwei-Staaten-Lösung einsetzt. Damit habe die Landessynode sich „wohltuend vor die jüdischen Geschwister im Glauben gestellt“, sagt Superintendent Christian Weyer vom Kirchenkreis Saar-West.
Info:
Nähere Informationen zur Landessynode sind im Internet abrufbar:
www.landessynode.ekir.de