Historischer Verein Stadt Neunkirchen e.V.
Arnold Kessler Gendarm und Ritterkreuzträger aus Neunkirchen Teil 1
Vor 53 Jahren starb in Saarbrücken der in Neunkirchen geborene Gendarmerierat Arnold Karl Ludwig Kessler nach einem bemerkenswerten Lebenslauf, der es verdient, der Stadtgeschichte erhalten zu bleiben.
Das Elternhaus, in welchem er am 14. April 1906 als jüngstes von drei Kindern geboren wurde, stand in der Irrgartenstraße 5, in Verlängerung der damaligen Synagogenstraße und somit auf dem Gelände der Grube König, die das Gebäude an Bergarbeiter vermietet hatte. Der Vater, Jakob Kessler, geboren am 23.10.1876 in Ottweiler, verlegte seinen Wohnsitz nach Neunkirchen, wo er am 13.05.1899 die aus Niederbexbach stammende Karoline Hirlemann, geboren am 19.01.1880, heiratete. Sein beruflicher Werdegang steht typisch für einen saarländischen Bergmann und führte ihn vom Hauer bis zum Oberkohlenmesser mit Unterbeamtenstatus auf der Grube König. Nach seiner Pensionierung verlegte die Familie den Wohnsitz in die Irrgartenstraße 7, wo die Ehefrau am 01.01.1948 und er am 10.05.1959 verstarben. Der älteste Sohn, Johann (Hans) Jakob, geboren am 08.01.1900, schlug nach einer Ausbildung zum Maschinenzeichner den Lehrerberuf ein und war zuletzt als Oberstudienrat am Städtischen Knabenrealgymnasium in Saarbrücken tätig, wo er am 06.09.1964 verstarb. Er studierte an der Kunstakademie in Kassel, zählte zu den Privatschülern von Richard Wenzel und war von 1929 bis 1935 Vorsitzender des Zeichenlehrerverbandes Saar. Künstlerisch war er bekannt geworden durch seine Grafiken, Aquarelle und Ölgemälde, überwiegend mit Saarmotiven in verschiedenen Techniken.1965 fand ihm zu Ehren eine Gedächtnisausstellung im Kultusministerium Saarbrücken statt. Die Tochter Mathilde, geboten am 23.05.1902 behielt ihren Wohnsitz in Neunkirchen, heiratete hier am 09.10.1936 den Bäckermeister Friedrich Jakob Heydrich und verstarb am 18.011970. Arnold Kessler wurde nach dem Besuch der Volksschule 1920 am Lehrerseminar in Ottweiler aufgenommen, wo er mit dem sogenannten „Einjährigen", den mittleren Bildungsabschluss erlangte. Bedingt durch das Studium des Bruders Johann Jakob in Kassel waren die Eltern nicht mehr in der Lage, das Schulgeld für den jüngeren Sohn aufzubringen, so dass dieser gezwungen war, den eingeschlagenen Volksschullehrerberuf aufzugeben und das Seminar 1924 vorzeitig zu verlassen. Anschließend absolvierte er ein 12-monatiges Praktikum im Hoch- und Tiefbau, konnte dann jedoch den angestrebten Architektenberuf wegen Überfüllung nicht ergreifen. Die nun folgende berufliche Neuorientierung führte ihn am 05.10.1925 als Polizeianwärter zur Preußischen Schutzpolizei-Schule nach Brandenburg/Havel und nach beendeter Ausbildung im März 1927 als Polizei-Wachtmeister zur Polizei-Inspektion West nach Berlin-Charlottenburg. Den Polizei-Oberwachtmeister-Lehrgang vom 30.11.1930 bis 26.03.1931 schloss er mit der Note „gut" ab, wobei seine Leistungen „weit über dem Durchschnitt" lagen.
Die Beurteilung ermöglichte ihm 1932 die Teilnahme am 24. Aussonderungs-Lehrgang für Offizier-Anwärter in Brandenburg/Havel und öffnete ihm den Weg zum 18. Offizier-Anwärter-Lehrgang im Zeitraum vom 18.04.1932 bis zum 01.07.1933. Dieser beinhaltete die Besuche der Höheren Polizei-Offizier-Schule in Eiche bei Potsdam, der Höheren Polizei-Sportschule in Spandau sowie des Technischen Polizei-Institutes in Berlin-Schöneberg. Nach erfolgreichem Bestehen wurde er rückwirkend zum 01.11.1932 Polizei-Leutnant und bereits zwei Jahre später mit Rangdienstalter 01.04.1934 zum Polizei-Oberleutnant befördert. Vom 01.10.1933 bis 30.04.1934 war er als Zugführer im Kfz-Bereich der Schutzpolizei Potsdam, danach bis 31.10.1934 als Kfz-Offizier im Kommando Wesel der Schutzpolizei Niederrhein eingesetzt. Seine vorerst letzte Polizeiverwendung fand er dann bis 31.08.1935 als Hundertschafts-Offizier im Kommando Hamm am Niederrhein. Nach der Wiedereinführung der Allgemeinen Wehrpflicht am 16.03.1935 und der damit verbundenen Aufrüstung folgte am 03.07.1935 das Gesetz über die Eingliederung der Landespolizeiverbände in die Wehrmacht, veröffentlicht im Reichsgesetzblatt I 1935. Dieses Vorhaben war bereits am 01.10.1935 abgeschlossen und brachte den Heerestruppen einen Zuwachs von 56000 Polizeikräften mit Ausrüstung. Insgesamt waren 47 Landespolizei-Abteilungen, Landespolizeischulen, je 2 berittene und nachrichten-technische Abteilungen sowie 1 Krad-Abteilung in die Wehrmacht überführt worden. Anfangs bestanden seitens des Reichswehr-Offizierskorps des alten 100.000-Mann-Heeres der Weimarer Republik Vorbehalte gegen die gleichrangige Aufnahme der Polizei-offiziere in die Armee. Zu einer wirklichen Integration kam es erst während der folgenden Kriegsereignisse. Persönlich davon betroffen war auch Arnold Kessler, dessen sozialer Herkunft aus der Arbeiterschicht Teile des elitären Offizierkorps zunächst mit Vorurteilen begegnet waren. Am 01.09.1935 war er in das Heer aufgenommen und der Panzer-Jäger-Abteilung 38 als Kompanie-Offizier zugeteilt worden. Diese Einheit war am 15.10.1935 auf dem Truppenübungsplatz Ohrdruf/Thüringen im Wehrkreis IX aufgestellt worden und unterstand der 2. Panzerdivision. 1936 erfolgte die Umbenennung in Panzer-Abwehr-Abteilung 33 mit Standort Landau/Pfalz. Im Oktober 1937 wurde er zum Chef der 1. Kompanie ernannt und mit Wirkung vom 01.03.1938 zum Hauptmann befördert. Mit Kriegsbeginn am 01.09.1939 als Kommandeur der Panzer-Abwehr-Abteilung 263 zur 263. Infanterie-Division versetzt, nahm er mit seiner Einheit Sicherungsaufgaben an der deutschen Westgrenze wahr. Am 24.10.1939 heiratete der 33-jährige Offizier in seiner Geburtsstadt Neunkirchen die gleichaltrige Franziska Margaretha Schwarzmaier, eine Hotelierstochter aus Ochsenfurth. Aus dieser Verbindung stammt als einziges Kind ein am 14.11.1936 in Pirmasens geborener Sohn namens Arnold Franz Peter, der durch die Eheschließung legitimiert wurde Die bayerischen Schwiegereltern akzeptierten den saarländischen Offizier als Ehegatten ihrer Tochter nicht, die Ehe bestand nur 11 Jahre und wurde am 25.07.1950 in Würzburg geschieden.
Die 263. Infanterie-Division war im August 1939 im Wehrkreis XII in Idar-Oberstein aufgestellt worden, nahm am Westfeldzug teil und verblieb anschließend als Besatzungstruppe in Frankreich. Der Westfeldzug begann für den Großverband am10.05.1940 mit dem Vormarsch durch Südbelgien und die Ardennen als Armee-Reserve der 4. Armee im Bereich der Heeresgruppe A. Wenige Tage später gelang der Durchstoß durch die belgischen und französischen Grenzbefestigungen, dem Abwehrkämpfe im Abschnitt von Peronnela Fere folgten. Am 31.05.1940 wurde Hauptmann Kessler mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet. Anfang Juni 1940 wurde die 263. ID dem V. Armeekorps der 6. Armee unterstellt. Nach harten Kämpfen wurde die Weygand-Linie durchbrochen und Nyon eingenommen, anschließend die Aisne überschritten sowie die Pariser Schutzstellung durchstoßen. Die Einheit von Arnold Kessler zeichnete sich hierbei erneut aus, sodass ihm nur 12 Tage nach Erhalt des EK II das Eiserne Kreuz 1. Klasse verliehen wurde. Die weiteren Kampfhandlungen führten ihn über die Marne und in Verfolgungskämpfen über die Seine, die Loire und die Indre. Nachdem am 26.06.1940 der Waffenstillstand an der Cher eingetreten war, nahm die Division bis zum 22.07. Sicherungsaufgaben wahr und wurde danach bis April 1941 im Küstenschutz an der französischen Atlantikküste eingesetzt. Stationierungsorte im Großraum Bordeaux waren u.a. Royan und Arachon. Am 31.07.1940 wurde Hauptmann Kessler das Verwundetenabzeichen in Schwarz und am 21.10. das Allgemeine Sturmabzeichen in Silber zuerkannt. Auch gehörte er zu den wenigen Trägern des nur 7 mal verliehenen Ehrensäbels des Oberkommando des Heeres für gutes Schießen mit der 3,7cm Panzerabwehrkanone (Pak), der Hauptwaffe seiner Abteilung. Im Juni 1941 folgte die Teilnahme am Unternehmen „Barbarossa", dem Russlandfeldzug, im Rahmen der Heeresgruppe Mitte mit dem Vormarsch über Minsk, Borissow bis zu den Flüssen Dnepr und Desna. Am 01.05.1941 wurde die 263. Infanterie-Division nach Polen verlegt, dort dem IX Armeekorps unterstellt und trat am 21.06.1941 im Verband der 4. Armee mit der Heeresgruppe Mitte im Rahmen des „Unternehmens Barbarossa“ zum Russlandfeldzug an. Bereits am Folgetag kam es zu den ersten Kampfhandlungen beim Durchbruch der Grenzstellungen am Bug und der Verfolgung über den oberen Narew. Die Panzer-Abwehr-Abteilung war zwischenzeitlich in Panzer-Jäger-Abteilung umbenannt worden und unter ihrem Kommandeur Kessler am 28.06.1941 an der Einnahme von Wolkowysk und am 10.07.1941 an der Besetzung von Minsk beteiligt. Der weitere Vormarsch ging zum Dnepr und führte zur Schlacht bei Roslawl vom 2. bis 9.August. Im August 1941 kam es zu größeren Kampfhandlungen im Frontbogen von Jelnja und anschließend im Zuge des Unternehmens „Taifun" zum Angriff auf Moskau bis zum Fluss Nara. Den Rückzug trat die Division aus dem Raum Juchnow bei Spas-Demensk an. Arnold Kessler nahm bis Ende 1941 als Kommandeur der Panzer-Abwehr-Abteilung mit Auszeichnung an allen Einsätzen der Infanterie-Division teil und wurde mehrfach verwundet.
Es folgten Abwehrkämpfe an der Dessna sowie im Jelnjabogen und vom 2. bis 8. Oktober die Doppelschlacht von Wjasma und Brjansk. Der Vorstoß über die Flüsse Protwa und Nara verlangsamte sich infolge des Wintereinbruches der dafür mangelhaft ausgerüsteten Armee, sodass die Operationen nach schweren Abwehrkämpfen südlich von Moskau zum Stillstand kamen und die Front Ende Dezember 1941 zurückgenommen werden musste. Bei diesen Kämpfen immer an vorderster Front war der am 01.01.1942 zum Major beförderte Arnold Kessler schwer verwundet und nach operativen Eingriffen in das Reserve-Lazarett nach Bad Kissingen verlegt worden. Nach seiner Genesung im März 1942 fand er zunächst als Kommandeur der Panzer-Jäger-Ersatz-Abteilung 33 eine Verwendung in Landau, um nach der Wiederherstellung seiner Kriegsverwendungsfähigkeit (kv) ab dem 27.10.1942 als Kommandeur der Panzer-Jäger-Abteilung 14 im Verband der 14. Infanterie-Division erneut in Russland und zwar im Raum Rshew eingesetzt zu wer-den. 4 Wochen später erneut verwundet, blieb er jedoch bei der Truppe, bis er im Februar 1942 infolge einer schweren Erkrankung in das Reservelazarett Ehrwald in Tirol verlegt werden musste. Nach dem Ende seiner 3-monatigen medizinischen Behandlung übernahm er erneut die Panzer-Jäger-Ersatz- und Ausbildungs-Abteilung 33 in Landau und wurde am 10.09.1943 mit dem Verwundetenabzeichen in Silber ausgezeichnet. Am 01.11.1943 wurde Major Kessler in seiner neuen Verwendung als Kommandeur der Panzer-Jäger-Abteilung 10 mit seiner Einheit im Großraum Bordeaux, der ihm noch aus dem Frankreichfeldzug bekannt war, stationiert. Mit der am 05.06.1944 erfolgten Umbenennung des Truppenteils in Panzer-Jäger-Abteilung 61 verbunden war die Eingliederung in die 11. Panzerdivision. Diese Elitedivision, auch als „Gespensterdivision" bekannt, war als Reserve des Oberkommandos der Wehrmacht im südfranzösischen Raum Carcassonne-Toulouse in Erwartung der alliierten Invasion stationiert worden. Am 15.08.1944 landeten die Alliierten unter eigener absoluter Luftüberlegenheit an der südfranzösischen Küste bei Fréjus. Ihnen standen nur schwache deutsche Kräfte der 19. Armee gegenüber, die mit der an das östliche Rhone-Ufer verlegten 11. P.D. lediglich über eine Panzerdivision verfügte. Die letzten Augustwochen waren geprägt durch Abwehrkämpfe im Raum Aix-en-Provence, den Rückzug durch das Rhone-Tal und Lyon bis Chalons-sur-Saone und harten Gefechten bei schweren Verlusten im Raum Besançon-Belfort. Auch Major Kesslers Einheit wurde über die Rhone übergesetzt und befand sich anschließend im Verband mit dem Panzer-Grenadier-Regiment 111 in schweren Kämpfen. Der Auftrag der 11. Panzerdivision an seine Abteilung lautete: Verlegung nach Chamvans und Baume-les-Dames, Sicherung der führenden Brücke über den Doubs, einem Nebenfluss der Saone. Im Schwerpunkt der Gefechte eingesetzt, wurde sie unter Verlust aller schweren Waffen aufgerieben und hörte faktisch auf zu existieren. Davor war die Panzer-Jäger-Abteilung 61 wie folgt gegliedert: Stab, 1 Panzer-Jäger-Kompanie mit schweren Panzer-Abwehr-Kanonen 755 cm, 1 Sturmgeschütz-Kompanie,1 leichte Flugabwehr-Kompanie mit 3,7 cm-Geschützen.
Quellenangeben folgen in Teil 2
Ein Bericht von Friedrich Wilhelm Strohm