Page 22 - Stadtmagazin "es Heftche"® | Ausgabe 126, Februar 2023
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Der Rechtsexperte informiert
Fachanwaltskanzlei Fries und Herrmann berät Sie gerne
Kind 1 äußert:
Der Vater wollte niemals, dass eine Maschi- ne abgestellt wird, er wollte immer, dass er bis zum Schluss behandelt wird, egal wie es ihm geht.
Kind 2 äußert:
Der Vater habe aber gesagt, dass bei einer schweren Gehirnschädigung mit nicht mehr vorhandener Kommunikation mit anderen Menschen dann aber doch keine Beatmung bzw. eine künstliche Ernährung mehr durch- geführt werden soll.
Kind 3 äußert:
Der Vater habe sich nach seinem Wissen weder eindeutig „in die eine noch in die an- dere Richtung“ konkret und zweifelsfrei ge- äußert – jedenfalls könne es sich nicht mehr genau daran erinnern!
Ergebnis:
1. Mangels auch sonstiger schriftlicher Auf- zeichnungen kann aufgrund der Anhörung der Kinder kein eindeutiges Ergebnis auf ei- nen geäußerten bzw. angedeuteten „mut- maßlichen Willen“ ärztlicherseits konkret festgehalten bzw. dokumentiert werden. 2. Die Ärzte versenden die Krankenakte mit dem Ergebnis der Anhörung der Kinder an das Betreuungsgericht mit der Anregung, es möge von dort betreffend der Entscheidung, ob lebenserhaltende Maßnahmen weiterge- führt werden oder eben nicht, ein Betreuer bestellt werden, der dann für diese schwer- wiegende Entscheidung mitsamt dem Be- treuungsgericht entscheidungsbefugt wird. Ggf. also eine völlig fremde Person, die den Vater nie gekannt hat!
Des Weiteren kommen die drei Kinder in Streit, weil sie verschiedener Auffassung sind, „was der schwerkranke Vater in dieser Si- tuation bestimmt hätte“. Ein Streit, der oft- mals lebenslang nicht mehr beigelegt wer- den kann und sich häufig auch noch auf die Kinder fortsetzt!
Diese Schilderung ist keineswegs ein Einzel- fall – es ist auch in solchen Situationen für einen Ehegatten, die Kinder oder sonstige Nähe–Personen in äußerstem Maße schwie- rig, zweifelsfrei den „mutmaßlichen Willen“ eines Ehegatten/Elternteils eindeutig darzu- legen.
Meistens hat man doch nicht so genau und bestimmt über eine solche wichtige Entschei- dung gesprochen, wie man es vielleicht meint.
Fazit.
Entlasten Sie sich selber und auch Ihre nächsten Angehörigen.
fragung der drei anwesenden Kinder.
Liebe Leserinnen und Leser, auch in dieser Ausgabe wird Sie Klaus Herrmann von der Fachanwalts- kanzlei Fries und Herrmann im Stadtmagazin „es
Heftche“® rund um Ihre Rechte infor- mieren. Alle bisher veröffentlichen Teile finden Sie auch im Internet auf unserer Webseite www.es-heftche.de.
Vater hat keine Patientenverfügung! – unter welchen Bedingungen könnte ein Beat- mungsgerät/eine Magensonde abgeschal- tet werden
Obwohl die Notwendigkeit einer rechtlich einwandfrei formulierten Patientenverfügung fast täglich in Presse, Fernsehen und Radio angesprochen wird, verfügen die meisten Menschen leider immer noch nicht über ei- ne Patientenverfügung die nach neuesten medizinischen Erkenntnissen erstellt wurde. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die inhalt- lichen Anforderungen an ein solches wich- tiges Dokument, welches Maßnahmen am Lebensende regelt, klar vorgegeben.
In einer Patientenverfügung bestimmen Sie selbst in gesunden Tagen, in welche ärztliche Maßnahmen, Behandlungen und Eingriffe Sie in einem Zustand späterer Entschei- dungsunfähigkeit einwilligen möchten bzw. diese untersagen.
Die einzelnen Regelungssituationen (unmit- telbar bevorstehender Todeseintritt, tödlich verlaufende Krankheit, mangelnde Nah- rungs-/Flüssigkeitsaufnahme bei Demenz, sog. Wachkoma-Fall) müssen in einer Pa- tientenverfügung so genau als möglich und individuell auf Ihre persönliche Situation for- muliert werden.
In dieser Hinsicht sollten keine Vordrucke oder Formulare (z.B. aus dem Internet) ver- wendet werden, die zum einem oft nicht richtig verstanden werden bzw. zum ande- ren als allgemeine Formulierungen vielfach nicht konkret und typisch gerade für Sie als Einzelfall zutreffen.
Daher sollten diese Formulierungen mit ei- ner Vorsorgeanwältin/einem Vorsorgeanwalt (www.vorsorgevollmacht-anwalt.de) genau- estens besprochen werden, ob diese gerade
für Sie passend sind.
Auch ist es notwendig, dass in der Patien- tenverfügung die Personen genannt werden, die als Vorsorgebevollmächtigte in einer Ge- neral-Vorsorgevollmacht von Ihnen bestimmt werden.
Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung müssen also aufeinander abgestimmt wer- den.
Es darf sich also nicht um verschiedene Per- sonen handeln, die in diesen Dokumenten abweichend benannt werden.
Wenn nämlich kein Vorsorgebevollmächtig- ter benannt ist, muss die Ärztin/der Arzt im Krankenhaus vor Einleitung der Maßnahmen gem. der Patientenverfügung die Kranken- akte zum Betreuungsgericht versenden, da- mit zur Durchführung der Maßnahme ein Betreuer benannt wird.
Ggf. also eine Person, die Ihnen gar nicht bekannt ist
.
Was passiert aber, wenn überhaupt keine Patientenverfügung vorliegt?
Folgender Fall:
Der verwitwete Vater wird nach einem sehr schweren Schlaganfall bewusstlos in die In- tensivstation einer Universitäts-Klinik einge- liefert.
Es werden daraufhin in der Abteilung Neu- rologie schwerste Hirnschädigungen festge- stellt.
Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte prognostizieren, dass der Vater wahrschein- lich nie mehr „wach werden wird“ bzw. ein Schwerstpflegefall sein wird, ohne dass noch merkliche Reaktionen von ihm ausgehen werden.
Der Vater wird künstlich beatmet.
Die Ärzteschaft bespricht mit den drei Kin- dern die kritische und besorgniserregende Situation des Vaters.
Es wird festgehalten, dass sich keine Patien- tenverfügung in der Krankenakte befindet. Dieses wurde von dem Vater versäumt, ob- wohl mit den Kindern darüber gesprochen wurde.
Nun muss die Ärzteschaft betreffend eine eventuelle Abschaltung des Beatmungsgerä- tes im Hinblick auf ein bevorstehendes Ab- leben des Vaters bzw. die Feststellung einer sog. „infausten Prognose“ (tödlich verlau- fende Krankheit, oftmals bei Krebserkran- kung) den „mutmaßlichen Willen“ des Vaters ermitteln.
Mangels Patientenverfügung eben durch Be-
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