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  Eine Projektgruppe des Saarpfalz-Gymnasiums vor dem geschichtsträchtigen Reichstagsgebäude, dem Sitz des Bundestages und Zentrum der deutschen Demokratie (2013)
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Machteroberung unseren Gegnern rück- sichtslos alle die Mittel versagen würden, die man uns in Zeiten der Opposition zuge- billigt hatte.“ Er war übrigens der einzige Reichspropagandaminister, den es in Deutschland je gab. Infolge seiner Lügen- propaganda wurde er als „Reichslügenmaul“ verschmäht. Wegen seiner Gehbehinderung (Klumpfuß) witzelte man: „Lügen haben kur-
Das Kindertransporte-Mahnmal „Züge in das Leben – Züge in den Tod“ vor dem Bahnhof Friedrichstraße
ze Beine.“ Ein Flüsterwitz behauptete sogar, die Reichsregierung habe die Wüste Sahara gekauft, um dem deutschen Volk mehr Sand in die Augen streuen zu können. Ein regime- kritischer Zählreim begann mit den Zeilen: „Zehn kleine Meckerlein, die saßen einst beim Wein; der eine machte Goebbels nach, da waren es nur noch neun!“ Grundsätzlich war bekannt: „Schweigen ist Gold, Reden ist Dachau.“ Spötter munkelten sogar: „Die Zähne werden in Deutschland zukünftig durch die Nase gezogen, weil niemand mehr den Mund aufmachen darf.“ Und man er- zählte im Krieg: „Weihnachten 1943 verlief nach folgendem Programm: Die Engländer setzten die Christbäume, die Flak lieferte die Kugeln, Goebbels erzählte uns Märchen, und wir saßen im Keller und warteten auf die Bescherung.“
Wer als Witze-Erzähler auf Kosten der Nazis
tiker wurden nicht geduldet, daher kursierte der Reim: „Bist du blind und taub und stumm zugleich, dann bist du reif fürs Dritte Reich.“ Oder man spottete: „Die Länder sind gleichgeschaltet. Es gibt jetzt keine Preußen, Sachsen, Bayern oder Badener mehr, son- dern nur noch Braun-Schweiger.“ Eine An- spielung auf die linientreuen Nazis in brau- nen Uniformen (SA, HJ) und die „braune Scheiße“. Im Flüsterwitz erzählte man zu- dem von einer Ziege, die sich mit einer Schnecke über die Karriere-Aussichten im Führerstaat unterhält. Die Ziege meint: „Ich habe nur ein wenig gemeckert – und schon war ich im Konzentrationslager.“ Darauf die Schnecke: „Du musst nur kriechen und schleimen – dann kommst du ans Ziel.“ Wer in die „Nationalsozialistische Deutsche Ar- beiterpartei“ (NSDAP) eintrat, hatte als „Pg“ (Parteigenosse) meist gute Berufs- und Auf- stiegschancen. Man spottete daher, NSDAP bedeute „Na, suchst du auch Pöstchen?“. Joseph Goebbels offenbarte 1934 als Reichs- minister für Volksaufklärung und Propagan- da: „Wir Nationalsozialisten haben aber nie- mals behauptet, dass wir Vertreter eines de-
mokratischen Standpunktes seien, sondern wir haben offen erklärt, dass wir uns demo- kratischer Mittel nur bedienten, um die Macht zu gewinnen, und dass wir nach der
Die mit Berlin eng verbundene Dichterin Ma- scha Kaléko, porträtiert von Alina Keßler (AG Geschichte des Saarpfalz-Gymnasiums, 2011)
   Portikusfragment des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Anhalter Bahnhofs, der wegen der Judendeportationen berüchtigt wurde
erwischt wurde, konnte nach dem Heimtü- ckegesetz im KZ landen oder „als Volks- schädling“ mit dem Tode bestraft werden. Trotzdem gab es – als Triumph des Lachens – eine Flut von kreativen Flüsterwitzen, z.B.: Napoleon soll im Himmel gesagt haben: „Wenn ich Goebbels gehabt hätte, wüsste man heute noch nicht, dass ich die Völker- schlacht bei Leipzig verloren habe.“ Auch
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