Page 24 - Stadtmagazin "es Heftche"® | Ausgabe 130, Juni 2023
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 Ukrainische Gäste in Homburg
Anlass war die feierliche Segnung eines Kreuzes
und Wilhelm Grub. Beide waren bei der Umbettung der Gebeine im Jahre 1955 zu- gegen. Darüber hinaus lagen tief im Keller des großen Rathausarchivs entsprechende Akten. Nach und nach kam immer mehr Licht ins Dunkel der Vergangenheit. Mitt- lerweile wurde auch jenes Grundstück, wo man die Toten am Rossberg „verscharrte“, eingemessen. Archivar Hans-Joseph Britz be- leuchtete kurz die Hintergründe während der Gedenkveranstaltung.
Die Toten vom Rossberg
Tatsächlich gab es mitten im Waldgebiet Rossberg einen Friedhof, auf dem 300 Ukrai- ner und Russen sowie eine slawische Adlige in mehreren Massengräbern verscharrt wur- den, nachdem die Kapazität des städtischen Friedhofs allmählich erschöpft war. Sie ka- men zuvor aus dem französischen Stalag XII- F Ban-St. Jean (Stammlager Johannis-Bann- berg) in Denting nahe Boulay, das wegen Thyphus ab 1942 keine Kriegsgefangenen mehr aufnehmen konnte und sie daher nach Homburg verlegte. Dieses Lager, nur 20 Km von der saarländischen Grenze entfernt, ist
 Am Freitag der Osterwoche wurde im Waldgebiet „Am Rossberg“ in einer feierlichen Zeremonie das vor über ei- nem Jahr aufgestellte ostkirchliche Kreuz aus Cortènestahl eingeweiht. Es war in privater Initiative von Mitarbei- terInnen der Uniklinik Homburg, fe- derführend unter Werner Buser vom Dezernat II, gestiftet worden.
Bereits Jahre zuvor gab es Bemühungen, hier einen Gedenkort in Erinnerung an die einst im Landeskrankhaus umgekommenen meist ukrainischen, aber auch russischen Soldaten des Zweiten Weltkriegs zu schaffen. Die Feier begann bei den Eheleuten Helga und
Eichstätt. Der Wallerfanger Pastor Herbert Gräff, zu dessen 60. Geburtstag die Gäste an die Saar gekommen waren, hielt den Os- terleuchter der byzantinischen Kirche zur Segnung bereit. Sie hatten es sich nicht neh- men lassen, das schlichte Dreibalkenkreuz einzuweihen, da es Gedenken und Mah- nung nicht nur für Vergangenes symbolisiert, sondern auch für den gegenwärtigen An- griffskrieg auf die Ukraine steht und zum In- nehalten und Gebet für den Frieden einlädt.
Licht ins Dunkel der Geschichte
Zunächst begrüßte Landrat Dr. Gallo die Gäste und betonte die starke Verbundenheit und das Engagement des Kreises mit der Ukraine. Bürgermeister Michael Forster und der neue Beigeordnete Manfred Rippel hat- ten namens der Stadt einen Kranz „in stillem Gedenken“ niedergelegt. Forster erwähnte
Peter Burgard. Burgard
nisterpräsidenten in der
kanzlei tätig und ist trotz
seines Alters immer
noch sehr geschichtlich
und kulturell interessiert.
Er, ebenso wie sein
Nachbar, der frühere
Ehrenpräsident der saar-
ländischen Notarkam-
mer, Justizrat Prof.Dr.
Rolf Dieter Zawar, kön-
nen sich bis heute noch
gut an den im Wald ver-
steckten Friedhof erin-
nern. Landrat Dr. Theo-
phil Gallo, Homburgs
Bürgermeister Michael
Forster, der Beigeordne-
te Manfred Rippel und
die Europabeauftragte
des Kreises, Dr. Violetta
Frys, erwarteten gemein-
sam mit Werner Buser und Revierförster Joa- chim Altmeier die Gäste aus Eichstätt und der Ukraine.
Prozession und byzantinische Gesänge
In einer Prozession ging es den fahnenge- schmückten Waldweg entlang zur Gedenk- stätte. Archimandrit Dr. Andreas-Abraham Thiermeyer, der Gründungsrektor des „Col- legium Orientale“ in Eichstätt, nahm im tra- ditionellen Ornat die feierliche Weihe vor. Begleitet wurde er von den Sängerinnen und Sängern um Debora Bode sowie dem aus der Ukraine stammenden Geistlichen Vasyl Vasylychyn, zur Zeit Kaplan in Zweibrücken und Erzpriester Dr. Olexsandr Petrynko, Rek- tor des Collegium Orientale und des Colle- gium Willibaldinum (Priesterseminar) in
war unter vier Mi- Saarbrücker Staats-
die Hauptgedenkstätte für ukrainische Kriegsgefange- ne in Frankreich. Ein großes ostkirchliches Kreuz mit ukrainischer und französi- scher Inschrift weist auf die Geschichte und Bedeutung des Ortes hin. Nach der Überführung der Ukrainer und Russen von Frankreich nach Deutschland, fanden diese Unterkunft auf dem Terrain des damaligen zum Reservelazarett umfunktio- nierten Landeskranken- haus. Oberstabsarzt Dr. Hanns-Heinrich Heene führte Zwangssterilisatio- nen aus und schickte als Begutachter des Erbgesund- heitsgerichts im Sinne der
“Rassenhygiene“ psychisch erkrankte Men- schen im Zuge der Euthanasie in die Gas- kammern. Ende 1941 ließ er primitive Holz- baracken nahe der Augenklinik als Unter- kunft für die ausländischen Soldaten errich- ten. Insgesamt starben im Klinikgelände, vor allem aus dem im Volksmund nur „Russen- lager“ genannten Lazarett mehrere Hundert Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter an Er- schöpfung, schlechten Lebensbedingungen, an mangelnder Ernährung, unzureichender medizinischer Versorgung oder sie wurden auf der Flucht erschossen. Überlebende berichten von unsagbaren Zu- ständen in diesem Lager. Die Bevölkerung nannte die Insassen des Lagers „Russen“, obwohl es sich zum Großteil um ukrainische Gefangene, die laut der Karteikarten wiede-
 Im Waldgebiet „Am Rossberg“ wurde in einer feierlichen Zeremonie das ostkirchliche Kreuz aus Cortènestahl eingeweiht © Jürgen Kruthoff/Stadtverwaltung
jene Nachforschungen seitens des städti- schen Archivs, die durch eine eher zufällige Nachfrage aus dem Jahr 2015 ausgelöst wur- den, nachdem Angehörige eines in Hom- burg umgekommenen ukrainischen Kriegs- gefangenen dessen Grab auf dem so genann- ten „Russenfriedhof“ aufsuchen wollten. Die Angehörigen hatten damals in Kopie eine Lagerkarte aus dem ehemaligen Landeskran- kenhaus mitgebracht, auf der Rückseitig Ster- befall, Sterbe- und Bestattungsort eingetragen waren: „Russenfriedhof Homburg“. Erste Nachfragen von Britz waren nicht von Erfolg gekrönt, doch er ließ sich nicht entmutigen und ging weiter auf Spurensuche, die bis heute noch nicht beendet ist. Erste Zeitzeu- gen wurden ausgemacht, darunter die da- maligen städtischen Mitarbeiter August Anna
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