Page 29 - Stadtmagazin "es Heftche"® | Ausgabe 132, August 2023
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musste sie als ein wohlgelungenes Kunst- werk bewundern und loben.“ Bis heute ge- hört das Anschlagen der Glocken mit einem Holzhammer zum Segensritus. Abends fand im Saal Bender neben dem Bürgermeister- amt eine weltliche Feier statt, in der wiede- rum Ludwig Nieder den fast eineinhalbstün- digen Festvortrag hielt. Er ging darin auf die
Ernst der Zeit in den Gesichtern der Men- schen. Einzig die Benedictusglocke durfte hängen bleiben und ihren so wichtigen „Gottesdienst“ weiter verrichten. Insgesamt läutete sie Tag für Tag insgesamt 3 Jahrzehnte lang. Als dann 1951 ein neues vierstimmiges Geläute für St. Martin angeschafft wurde, war es für den Kirchenrat und Pfarrer klar, dass diese – wie durch ein kleines Wunder unversehrte – Glocke einer neuen Bestim- mung zugeführt werden sollte: Als Betglocke für die Filialgemeinde St. Michael in Nie- derbexbach.
Ein eisernes Glockengerüst mitten im Dorf Ein Urteil des königlich-bayerischen Ober- landesgerichts zu Zweibrücken im Jahr 1881 sprach nach jahrelangen Streitigkeiten zwi- schen den Niederbexbacher Katholiken und Protestanten letzteren das alleinige Nut- zungsrecht an der aus dem Mittelalter stam- menden Michaelskirche zu. Auch wenn sie seit einer nicht überprüfbaren Aussage des damaligen Pfarrers Oster „Jakobuskirche“ genannt wird, hatte die alte Dorfkirche nach- weislich die Patrozinien des Hl. Erzengels Michael sowie nach Metzer Brauch den des Hl. Martin. Demgemäß findet bis heute nach uralter Tradition die Niederbexbacher Kerb (Kirchweihe) am Sonntag vor oder nach Mar- tini statt. Nach Abschaffung des „Simultane- ums“, also der gemeinsamen Benutzung der ehemals katholischen und infolge der Re- formation protestantisch gewordenen Kirche, bemühten sich die Katholiken des Dorfes um die Errichtung zumindest eines Glocken- turms. Mit Erfolg: Ein Ingenieur des Neun- kircher Eisenwerkes fertigte den Plan eines Gerüstes und erhielt von der Stummschen Hütte sogar kostenlos das Material. Auf ei-
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nem quadratisch angelegten Sandsteinfun- dament mit umlaufenden Eisengittern und einem kleinen Tor wurde im Jahre 1886 der 12 Meter hohe eiserne Glockenträger aus der Werkstatt des Schmiedemeisters Ruffing „Schmiddefranz“ nicht weit entfernt von der Protestantischen Kirche in der Schulstraße errichtet. Franz Ruffing war der UrUrgroß- vater des Verfassers dieses Beitrages. Aufge- hängt wurde eine 147 Kilo schwere Glocke aus der Werkstatt der Gießer Georg und Friedrich Hamm aus Frankenthal. Der Turm wurde mit einem Dach aus Zinkblech ge- deckt und erhielt zur Bekrönung ein ge- schmiedetes Kreuz. Das Glöckneramt übten geflissentlich Vertreter verschiedener katho-
Die beiden Glockentürme (ev. und kath.) auf Augenhöhe
gegossenen Inschriften der neuen Glocken ein: „Für Gott: sollen wir leben – Zu Gott: sollen wir gelangen – Mit Gott: sollen wir dereinst vereint sein. Mögen die neuen Glo- cken...nur zum Guten erklingen für eine friedvollere Zukunft.“ In den nächsten Tagen wurden die drei neuen Glocken von der Fir- ma Pfeifer und dem ortsansässigen Schlos- sermeister Paul Neurohr im Glockenturm von St. Martin installiert und an die beste- hende Turmuhr angeschlossen. Die alte, aus der Kriegszeit gerettete und den Kirchenpa- tronen Martin und Barbara gewidmete Glo- cke von 1891 (Ton E) mit 1030 Kilogramm, die 1917 nicht zu Kriegszwecken einge- schmolzen wurde, blieb im Turm hängen und ergänzte das Geläute, welches erstmals vierstimmig Dienstagsabends feierlich durch den Ort und darüber hinaus ertönte. Die Reinheit des Klangs wurde nicht nur von den Glockensachverständigen bestätigt. Die Dorfbewohner waren begeistert und inner- lich angerührt.
Die wundersame Errettung der Benedic- tusglocke
Gerade einmal 2 Jahrzehnte war den Glo- cken der Bexbacher Martinskirche ihr Läuten vergönnt. Am 8. Juni 1942 wurden die drei größten von den nationalsozialistischen Machthabern beschlagnahmt und über eine Sammelstelle in St. Ingbert zum Einschmel- zen nach Hamburg verbracht. Bilddokumen- te vom Herunternehmen und Abschied der Glocken bezeugen die Traurigkeit und den
Rüdiger Eberhardt und Dietmar Imbsweiler
lischer Familien aus, so Jakob Heidinger und zuletzt bis anfang der Siebzigerjahre Johanna Lapre. Nachdem die Mutterkirche in Bex- bach 1951 ihr neues Geläut erhalten hatte, gelangte die Benedictusglocke nach Nieder- bexbach und darüber liest man im Pfarrge- denkbuch: „Als zuerst die alte Glocke von 380 kg vom Glockenturm heruntergeschafft wurde, kamen manchen Anwesenden Trä- nen aus den Augen, weil diese Glocke zu all den Kriegszeiten so treu gedient hat. Sie
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