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Vor 85 Jahren: Die Reichspogromnacht in Homburg

Alleinstellungsmerkmale in Erinnerung an die Geschichte der Juden

Die Stadt Homburg erinnert wie nur wenige saarländische Kommunen an die Geschichte der Juden. Insbesondere die Verfolgung der jüdischen Mitbürger im Dritten Reich ist relativ gut aufgearbeitet. 

Erinnerungsstätten sind neben der Synagogenruine, dem alten jüdischen Friedhof in der Friedhofstraße die Stelen am historischen Marktplatz, die noch stehenden letzten Wohnhäuser und seit Februar 2023 die vor vier dieser Häuser verlegten Stolpersteine. Ein besonders Alleinstellungsmerkmal dürfte die im Jahre 2011 angebrachte Gedenktafel an der Synagoge sein. Auf ihr sind die Namen von 165 Juden vom Kleinkind bis zum Greis verzeichnet, die zur NS-Zeit in Homburg lebten. Viele von ihnen wurden geschlagen, gedemütigt, beraubt und ermordet. Der letzte übrigens erst im Jahre 1980. Salo Lewin, Lehrer an der jüdischen Schule Homburg. Die „Saarbrücker Zeitung“ berichtete kürzlich im Landesteil auf einer ganzen Seite über diese berühmte Persönlichkeit, der mittlerweile einige Bücher gewidmet sind.  Die Idee zu einer Gedenktafel ergab sich anlässlich einer Führung im Rahmen des Präparanden-Unterrichts. Pfarrerin Scheidhauer hatte in Zoe, Michele, Michelle, Leonie, Etienne und Sina interessierte junge Menschen mitgebracht, die über die Thematik Näheres erfahren wollten. Von ihnen kam die Frage an den Experten Joseph Britz: Wo sind die Namen der Ermordeten, warum gibt es keine Gedenktafel? Er antwortete: Wenn Ihr es wirklich ernst mit Eurem Anliegen meint, dann stellt einen diesbezüglichen Antrag an verschiedene Personen und Institutionen. Tatsächlich wurde der damalige Landrat Clemens Lindemann tätig. Aufgrund der Gemeinschaftsaktion von Pfarrerin, Präparanden, Archivar bzw. Stadtführer und Landrat wurde mit der künstlerisch gestalteten Gedenktafel ein wichtiger und in dieser Form einmaliger Hinweis auf jüdisches Leben im saarländischen Homburg geschaffen. Den ehemaligen MitbürgerInnen jüdischen Glaubens wurde quasi wieder eine Heimat gegeben, zumindest namentlich. Dass Namen nicht vergessen werden ist wichtiger Bestandteil des jüdischen Selbstverständnisses. In diesem Sinne werden jüdische Friedhöfe als „heilige“ Orte behandelt, die nicht aufgelassen werden dürfen. Heute stellen sie weltweit eine unschätzbare religiös-künstlerische Kultur dar.
 
Stolpersteine
Im Frühjahr wurden vor vier Häusern Stolpersteine durch den Künstler Demnig verlegt. Kaum ein Jahr zuvor hatte der Stadtrat eine Verlegung noch abgelehnt.
Bei einer solchen Verlegung sollte die entsprechende Historizität und der aktuelle Forschungsstand berücksichtigt werden. In Saarbrücken gab es in der Vergangenheit Fehler in mancher Biografie, auch wurden Steine vor den falschen Häusern verlegt. Unwillkürlich wird man an jenes Werk der jüdischen Schriftstellerin Edith Aron erinnert, das in Buchform an ihre Kindheit in Homburg erinnert. Es trägt den Titel „Die falschen Häuser“. Für Demnig handelt es sich bei der Verlegung „seiner“ Steine um eine künstlerische Aktion. Nur so ist zu verstehen, dass die Beschriftung der Steine oftmals Historizität einbüßt. Die langjährige Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, die hochgeehrte Charlotte Knobloch erklärt im Jahre 2015: „Wichtiges Gedenken kann nicht auf dem Boden, sondern muss auf Augenhöhe stattfinden, die Stolpersteine sind nicht selbsterklärend und initiieren somit keinen nachhaltigen gesellschaftlichen Erkenntnisprozess.“ Gemäß dieser Mahnung erfolgte in Bayerns Landeshauptstadt München keine Verlegung. Knobloch: Nur wer sich seiner historischen Verantwortung auch in der Gegenwart bewusst wird, beweist eine mündige freiheitlich-demokratische Gesinnung. Und die Saarbrücker Stadtarchivarin Ruth Lauer erklärte erst kürzlich: „Daher meine ich, können wir uns als Historiker und Archivare nur immer wieder darum bemühen, dass die Biografien möglichst sorgfältig recherchiert werden. Allein verantwortlich dafür, und damit für das „Kunst-Projekt Stolpersteine“ sind wir allerdings nicht.“ Die ohnehin straff gebündelte Beschriftung eines Steins muss den historischen Tatsachen entsprechen. Für Homburg konkret heißt das: Daten auf den bisher verlegten Steinen sind leider historisch nicht korrekt. Zum Beispiel wurden bei identischen Lebensläufen verschiedene Bezeichnungen verwendet. Begriffe wie „Emigration“, „Flucht“ oder „mit Hilfe überlebt“ werden hierbei verwendet. Es fehlen immer noch zwei Steine vor dem ehemaligen Anwesen der Geschwister Graber gegenüber der Synagogenruine: Henriette Graber starb 1939 an unbekannter Stelle und die ebenfalls hier wohnende Betty Hirsch geb. Levy wurde deportiert und 1944 in Auschwitz ermordet. Beide wohnten in der Klostergasse 1. 
 
Familienschicksale
Kurz vor der Verlegung der Homburger Stolpersteine ermöglichte das Stadtarchiv Saarbrücken mit der Realisierung des Projekts: „Digitales Gedenkbuch aller Jüdinnen und Juden im Saarland“ die Möglichkeit intensiverer Forschungen. Wichtige Lebensdaten sind nunmehr zugänglich. Während noch zuvor der rührige und leider erst kürzlich verstorbene Historiker und Leiter des Instituts für Pfälzische Geschichte und Volkskunde Kaiserslautern Roland Paul Nachfahren der Familie Salmon (Eisenbahnstraße 6) in Amerika kontaktierte und neue Details erfuhr, erfolgten bei den Familien Oppenheimer-Frommer (Marktplatz 15) anhand des Saarbrücker Gedenkbuches intensive Forschungen im Landesarchiv Saarbrücken.  Die dem Völkerrecht unterstellten Saarländer erhielten aufgrund der sog. „Römischen Verträge“ Sonderrechte insofern, als ausreisewilligen Personen auch nach der Rückgliederung des Saargebietes zu Nazideutschland im März 1935 eine Frist von einem Jahr gewährt wurde, in der sie Deutschland verlassen konnten. Die Verträge liefen im März 1936 aus. Philipp und Johanna Frommer zogen mit ihren Söhnen Franz und Oscar am 31. Januar 1935 ins französische Strasbourg. Im Möbelwagen nahmen sie Teile ihrer Wohnungseinrichtung mit. Philipp nennt es später „Wegzug“, vermeidet den Begriff „Flucht“, wie er auf dem Stolperstein steht. Sicherlich hatte er eine Ahnung, was in der Hitlerdiktatur auf ihn zukommen könnte. In Straßburg wurden ihnen kurz vor dem Wegzug fast sämtliche Möbel geraubt, allerdings nicht von Deutschen. Zunächst arbeitete Philipp Frommer in einer Straßburger Fabrik, danach bis 1940 in einem Sägewerk mit Kohlenhandlung in Villefranche/ Dordongne.  In Bordeaux konnte er sogar wieder sein erlerntes Handwerk als Buchbinder ausüben, bis im November 1942 deutsche Truppen aufgrund der Kollaboration des sog. „Vichy-Regimes“ unter Marschall Petain in das bisher unbesetzte Südfrankreich gelangten und für die vierköpfige Familie die eigentliche Flucht begann. Frommer berichtet: „Wir flüchteten aus Angst vor Razzien der Nazis und vor der Deportation in ein Lager in die Wälder von Villefranche, wo wir ein illegales Leben in menschenunwürdigen Verhältnissen führten, bei schlechter Nahrung, was bei mir große gesundheitliche Schäden hervorrief.“ Sein Sohn Oscar nennt es später „Hetzleben“.  
Er führt aus: „Nachdem deutsche Truppen im November 1942 auch die vorher unbesetzte Dordogne besetzten, begannen die Razzien…im selben Maße, als die Widerstandsbewegung „Forces francaises de l’intérieur“ (FFI) sich in den nahen Wäldern organisierte. Aus diesem Grunde war mein Vater gezwungen, sich im Wald zu verstecken. Da in dieser Zeit die Juden keine Lebensmittelkarten erhielten, war der Hunger ständig zu Gast. Dies war sein tägliches Leben bis zur Befreiung Frankreichs.“ 
 
Obwohl die Bürger von Villefranche wussten, dass sie auf Gemeindeterrain ein elendes Dasein fristeten, gewährte ihnen niemand Obdach, sie waren bis zur Befreiung Frankreichs 1944 auf sich selbst angewiesen. Ihr Vertrauen auf JAHWE und ihr fast übermenschlicher Mut und Lebenswille retteten sie. Dennoch hatten diese Jahre Auswirkungen auf Philipps Gesundheit: Er hatte einen schweren Herzfehler und ein Nervenleiden. Immerhin wurden die Oppenheimers und Frommers nach dem Krieg entschädigt; Die beiden Familien zogen wieder in ihr Haus Ecke Marktplatz/Klostergasse. Eugen und Friderike Oppenheimer starben hier und sind auf dem jüdischen Friedhof beerdigt. Die Frommers wanderten später nach Frankreich aus. Derzeit werden intensiv Nachfahren gesucht. Wenn am 9. November auch in Homburg jener unglückseligen „Reichspogromnacht“ gedacht wird, ziehen Menschen an den Häusern der ehemaligen jüdischen Mitbürger vorbei. Es sei erinnert an Bertha und Henriette Graber, die infolge dieses Pogroms entrechtet und gedemütigt wurden, indem Homburger Nazis ihr Mobiliar in die Klostergasse warfen. Und mit ihnen an alle jüdischen Opfer des Nationalsozialismus in unserer Region.

Hans-Joseph Britz

Schenk, Silvia
24. Okt 2023