Page 32 - Ausgabe 118 / Juni 2022
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 Willkommen in Andalusien
Spurensuche in einer der vielfältigsten Regionen Spaniens
Verstorbenen. Der kurz zuvor vergöttlichte Kaiser Claudius wurde von Seneca also als „Hohlkopf“ der Lächerlichkeit preisgegeben – eine scharfe Form der Majestätsbeleidigung in der Antike. Es ist bedauerlich, dass man heutzutage Seneca in Córdoba nicht gebüh- rend ehrt, viel wichtiger ist der Geburtsstadt die Würdigung des islamischen Juristen, Me- diziners und Philosophen Averroes (1126- 1198).
Der Name Andalusien (spanisch Andalucía) geht auf die Mauren zurück, die das Land im 8. Jahrhundert innerhalb kurzer Zeit er- oberten, bis ins 15. Jahrhundert beherrschten und mit dem arabischen Begriff „al-Andalus“
Eberhard Jung, der Verfasser dieses Beitrags, neben Pablo Picasso auf einer Parkbank seiner Geburtsstadt Málaga
bezeichneten. Möglicherweise geht der Na- me sogar schon auf die Vandalen der Völ- kerwanderungszeit zurück, die ihren dorti- gen Machtbereich im 5. Jahrhundert „Van- dalusien“ genannt hätten. Von allen spani- schen Regionen stand Andalusien am längs- ten unter islamischer Herrschaft und wurde von ihr auch am nachhaltigsten geprägt. Die muslimischen Einflüsse sind heutzutage vor allem in der Architektur erkennbar. Die bes- ten Beispiele bieten die Alhambra in Gra- nada, die „Moscheekathedrale“ Mezquita von Córdoba und die Giralda in Sevilla. Die islamische Herrschaft in Spanien wurde nach langwierigen Kämpfen 1492 durch die
Strandpromenade von Torre del Mar
(bei Málaga): Eine Erzieherin erklärt Kindern Picassos monumentales Gemälde „Guernica“ (im April 2022, während des russischen Vernichtungskriegs in der Ukraine).
christliche Rückeroberung („Reconquista“) Granadas beendet. Der letzte muslimische Herrscher Muhammad XII., genannt „Boab- dil“, übergab die Stadt an das Königspaar Ferdinand II. von Aragón und Isabella I. von Kastilien, die sogenannten „Katholischen Kö- nige“ („Reyes Católicos“). Damit endete eine einzigartige mittelalterliche Hochkultur in
 Ganz im Süden des spanischen Fest- lands, zwischen Atlantik und Mittel- meer, liegt eine der beliebtesten und vielfältigsten Regionen Europas: Anda- lusien. Dort findet man alles, was man sich für eine Urlaubsreise wünscht: reichlich Sonne, traumhafte Strände, Wohlfühlhotels, erlebnisreiche Städte, idyllische Bergdörfer, spektakuläre Kunst- und Kulturschätze, freundliche Menschen, fröhliche und farbenpräch- tige Fiestas, mitreißende Musik, delika- tes Essen und süffige Weine. Bei Tapas oder Paella und einem Gläschen Vino Tinto oder Sherry lässt sich angenehm den Gitarrenklängen lauschen und eine Begeisterung für feurigen Flamenco, Tango, die sinnliche Fächersprache und nostalgische Folklore entwickeln.
  Mehr als 800 Kilometer Küste versprechen einen erholsamen oder ereignisreichen Strandurlaub, etwa an der Costa del Sol („Sonnenküste“) am Mittelmeer oder an der Costa de la Luz („Küste des Lichts“) am At- lantik. In nur ein bis zwei Stunden gelangt man mit Bus oder Auto von den subtropi- schen Küstenlandschaften in die alpine Re- gion der Sierra Nevada. Strandurlaub und Skifahren lassen sich dadurch leicht mitei-
Der spanische Nationaldichter Miguel de Cervantes, Autor des „Don Quijote“
(Teil einer Skulptur in Vélez-Málaga) nander kombinieren. Andalusien ist eine der trockensten Regionen Europas und bietet Naturkulissen für Westernfilme („Für eine Handvoll Dollar“ usw.). Imposante Städte wie Sevilla, Málaga, Granada, Córdoba und
Ronda locken Touristen mit ihren weltbe- kannten Sehenswürdigkeiten. Der Süden der Iberischen Halbinsel ist ein Schlaraffenland für Entdecker, Schaulustige, Kunstliebhaber und Genießer. Überall gibt es Oliven und Schinken. Andalusien ist Spaniens wichtigs- tes Olivenanbau- und Landwirtschaftsgebiet. Seit der Antike ist die maritime Region ein beliebtes Einwandererland: Phönizier, Kar- thager, Römer, Vandalen, Westgoten, Musli- me und Touristen fanden hier eine Heimat. Als römische Provinz Baetica lieferte sie nicht nur Weine, Olivenöl und Weizen ins Imperium Romanum, sondern auch Metalle, Schriftsteller, Philosophen und die ersten au- ßerhalb der Apenninenhalbinsel geborenen Kaiser: Trajan (98-117) und Hadrian (117- 138). Beide stammen aus Itálica, etwa 10 km nördlich von Sevilla gelegen, der ersten
Palmsonntagsprozession in Málaga
römischen Siedlung auf iberischem Boden. Hier kann man heutzutage noch römische Überreste besichtigen. Der bekannteste rö- mische Philosoph und Schriftsteller aus der Provinz Baetica ist Lucius Annaeus Seneca, genannt Seneca der Jüngere. Er ist wohl um 4 v. Chr. in Córdoba (römisch Corduba) ge- boren und starb 65 in Rom durch Selbst- mord, den ihm sein ehemaliger Schüler Nero wegen einer angeblichen Verschwörung auf- gezwungen hat. Eines seiner interessantesten Bücher ist die „Apocolocyntosis“, eine Satire auf den Kaiser Claudius, Neros Vorgänger.
Ästhetischer Sonnenschutz in einer Fußgängerzone am Hafen von Málaga
Dieser seltsame griechische Titel ist ein Neo- logismus, bedeutet „Verkürbissung“ bzw. „Verarschung“ und parodiert als Gegenbe- griff die Apotheose (Vergöttlichung) eines
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