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Zeit, sich zu erinnern
Gedenkveranstaltung anlässlich der Reichspogromnacht 1938
Ereignissen „in vielen Teilen der Welt: in Sy- rien, im Irak, im sogenannten Heiligen Land, in der Ukraine und anderen Ländern.“ Ma- nuela verwies auf ihre Verwandten in Paläs- tina und Syrien, wobei sie betonte: „Mit ih- nen ist wegen der Kriegszustände ein stän- diger Kontakt nur schwer zu halten. Häufig gibt es Stromausfälle, die die Kommunika- tion erschweren. Bei jeder Kontaktaufnahme bin ich froh, dass sie noch leben. Am Telefon höre ich immer wieder im Hintergrund die Gewalt der Bombenanschläge und Schieße- reien. Seit der Krieg begonnen hat, hat nie- mand mehr am Telefon so gelacht wie früher. Sie leben in ständiger Angst, bei Angriffen umzukommen oder den radikalen islamisti- schen Terroreinheiten zum Opfer zu fallen, denn sie gehören als christliche Minderheit zu den Verfolgten. Menschenrechte haben dort keinen Platz mehr.“ Beliz erinnerte dar- an, dass die Türkei eine kaum zu verkraften- de Vielzahl von syrischen Flüchtlingen auf- genommen hat: „Wir helfen, beten und hof- fen, dass sie die Strapazen gut überstehen. Selbst wenn der Krieg ein Ende hat, so hinter- lässt er tiefe Spuren. Denn das, was diese Men- schen mitmachen, wird sie ihr Leben lang prä-
Vor 76 Jahren, in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, wurden in ganz Deutschland Synagogen ge- schändet und in Brand gesteckt, Woh- nungen und Geschäfte jüdischer Mit- bürger verwüstet und geplündert. Menschen jüdischen Glaubens wur- den ermordet oder in ihrer Existenz bedroht, diffamiert, gedemütigt und in Angst und Schrecken versetzt.
Die Reichspogromnacht, die infolge der Sprachlenkung der Nazis jahrzehntelang ver- harmlosend „Reichskristallnacht“ hieß, mar- kiert den Beginn der systematischen Verfol- gung und Ermordung von Juden, die im Ho- locaust der Konzentrationslager ihren ab- scheulichen Höhepunkt fand und für Jahr- zehnte jüdisches Leben in Deutschland weit- gehend auslöschte. Auch in Homburg blie- ben Juden nicht verschont, ihre Synagoge in der heutigen Klosterstraße wurde geschän- det, Geschäfte und Privatwohnungen über- fallen und ausgeraubt.
Die Palästinenserin Manuela Garib (links) und die Türkin Beliz Besirli aus der Klasse 10d
Damit dieser Tiefpunkt der deutschen Ge- schichte mit seinen unfassbaren Verbrechen nicht vergessen wird, findet alljährlich in der Evangelischen Stadtkirche in Homburg eine Gedenkveranstaltung statt. Es geht um die Erinnerung an die Opfer, zugleich aber auch um die Hochschätzung von Rechtssicherheit, Toleranz, Freiheit und Demokratie, verbun- den mit der Hoffnung, dass sich derartige Verbrechen wie im Dritten Reich nicht mehr wiederholen.
Der Veranstaltungsreigen der „Woche des Gedenkens“ stand unter dem Motto „Zeit, sich zu erinnern“ und begann am 4. No- vember mit einer Ausstellungseröffnung am Saarpfalz-Gymnasium zum Thema „Die Wannsee-Konferenz und der Völkermord an den europäischen Juden 1933-1945“. Am 9. November folgte eine Stadtführung auf jü- dischen Spuren in Homburg mit Stadtarchi-
var Hans-Joseph Britz, am 11. November wurde im Johanneum die Ausstellung „Dem Leben hinterher – Fluchtorte jüdischer Ver- folgter“ eröffnet. Den Höhepunkt dieser „Woche des Gedenkens“ bildete die Veran- staltung in der Evangelischen Stadtkirche, die von Pfarrerin Petra Scheidhauer mode- riert wurde. Sie betonte bei ihrer Begrüßung: „Das Gedenken muss auch vitale und spür- bare Auswirkungen haben. Wir sind hier, um aus der Geschichte zu lernen, aber auch um aufzurütteln.“ Das gelang vortrefflich den beiden Schülerinnen aus der Klasse 10d des Saarpfalz-Gymnasiums, der Türkin Beliz Be- sirli und der Palästinenserin Manuela Garib, die in ihrem Prolog einen Zusammenhang herstellten von der „Nacht, in der organi- sierte Schlägertrupps jüdische Geschäfte und Gotteshäuser in Brand steckten, tausende Ju- den misshandelt, verhaftet und getötet wur- den“ bis hin zu den aktuellen kriegerischen
Schüler des Saarpfalz-Gymnasiums, die bei der Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht selbst verfasste Gedichte vortrugen
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