Page 34 - Stadtmagazin "es Heftche"® | Ausgabe 121, September 2022
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 Ältester Verein Bexbachs
Die Knappen feiern 160 Jahre (Teil I)
reiche saarländische Bergmannshäuser. Noch bevor sich Gewerkschaften der Misere annahmen, war es die Kirche, die auf Abhilfe sann und vor allem auch den Bildungsstand der arbeitenden Berg- und Hüttenleute an- heben wollte. Der Mainzer Bischof Wilhelm Emanuel von Ketteler und der ehemalige Schuster, später Priester Adolf Kolping aus Kerpen bei Köln waren die Vorreiter einer christlichen Sozialehre. Darauf blickend hat- te im damals preußischen Ottweiler (zur Un- terscheidung von Kleinottweiler hierzulande „Großottweiler“ genannt) Dechant Johann Anton Hansen 1855 bereits eine kirchliche Bruderschaft für Bergleute mit einer ange- schlossen Unterstützungskasse gegründet. Er gilt seither als Begründer der katholischen Arbeiterbewegung an der Saar und man nannte ihn bald „Knappenvater“. Hansen gehörte zum Reformklerus der Trierer Di- özese und war unermüdlich im Einsatz: als Gefängnisseelsorger, als Mitglied der preu- ßischen Nationalversammlung und später Landtagsabgeordneter, als begnadeter His- toriker, der viele Abhandlungen verfasste.
Die Hauptkongregation in Ottweiler
Sein Mitbruder Johannes Stork aus Mittel- bexbach hatte sich intensiv mit Hansen aus- getauscht und fand die Idee auch für den bayerischen Teil unserer Region passend. Er übernahm wortgleich die Statuten und konn- te am Barbaratag 1859 den Bexbacher Ver- ein als Filialgemeinschaft der Ottweiler Erz- bruderschaft angliedern. Hansen unter- schrieb eigenhändig die neuen Statuten, der Bischof von Speyer bestätigte die Gründung.
Die Vereinsmitglieder trugen zu öffentlichen Anlässen eine weiße Hose, eine schwarze Bergjacke mit Messingknöpfen, auf dem Kopf der bayerische Schachthut mit Löwen- köpfen und weiß-blauem Federbusch sowie den bergmännischen Häckel (Bergstock) und das Arschleder. In späteren Jahren wurde die
Ihr direkter Nachfolger, die heutige „Berg- knappenkameradschaft St. Barbara“ feierte coronabedingt in diesen Tagen das 160. Ju- biläum nach, doch eigentlich sind es bereits 163 Jahre nach der Gründung. Die Bexba- cher Gemeinschaft wurde nach den Verei- nen von Ottweiler, Schiffweiler, Neunkir- chen, Illingen und Uchtelfangen ins Leben gerufen. Sie gehört damit zu den ältesten dieser Art in der Saargegend und ist mit Ab- stand auch der älteste noch existente Verein in Bexbach und am Höcherberg. Der Ide- engeber war gerade einmal ein Jahr in der Gemeinde als Pfarrer aktiv: Johann Storck (1829-1914).
Industrielle Revolution
Die sog. „Industrielle Revolution“ hatte auch in unserer Heimat im 19. Jahrhundert Einzug gehalten und viele bisher von der Landwirt- schaft lebende Menschen wegen des besse- ren Verdienstes in die Kohlengruben ge- drängt. Sicher gab es noch genügend Bauern und Landwirte, doch der Kohlenabbau auf den Staatsgruben gab der arbeitenden Be- völkerung mehr Lohn und Brot. Immerhin konnte sich der klassische Bergmannsbauer noch eine „Bergmannskuh“ leisten, womit eine Ziege gemeint ist. Manche betrieben im Nebenerwerb Landwirtschaft. Als dann aufgrund der besseren Transportmöglichkei- ten per Bahn mit dem Bahnhofsneubau 1849 eine enorme Steigerung erfuhr, traten all- mählich Probleme auf, die man vorher nicht kannte. Es war sehr viel Geld im Umlauf und der Fortschritt forderte seine Opfer. Vor allem junge Bergleute zwischen 18 und 24 Jahren frönten dem Alkoholkonsum. Silikose, die berüchtigte Staublungenkrankheit der unter Tage Arbeitenden zollte ihre ersten Tribute, während eine soziale Absicherung noch fast gänzlich fehlte. Grubenunglücke kamen aufgrund mangelnder Sicherheits- technik und erhöhter Grubengasvorkommen
Festzug mit der alten Oberbexbacher Barbara- Fahne durch die Niederbexbacher Straße
gend...Gefängnisse sind überfüllt und die Gemeindearmenpflege überfordert“. Die be- rüchtigten Steiger hatten ihren “Gickel“ und malträtierten nicht selten ihre Untergebenen. Die Bexbachr hatten Glück im Unglück: Die Bayerische Staatsgrube bezog fast alle hö- heren Bergbeamten ab Steiger zumeist aus dem katholischen Mileu und in Bexbach wa- ren die meisten Einwohner ebenfalls katho- lisch. Im Preußischen Bergbau von Neun- kirchen bis Luisenthal und zum Warndt hin
hatten unter Kaiser Wilhelm als obersten Bergherrn und gleichzeitigem „Summus Episcopus“ (Kirchenhoheit über die Protes- tanten) tatsächlich und mehrheitlich die evangelischen Steiger das Sagen. Diese Dis- krepanz führte zu zahlreichen Streitigkeiten zwischen Obrigkeit und Untergebenen und sorgte für einen miserablen Ruf der Steiger. Manche Familie mit 10 Kindern kämpfte um ihre Existenz. Gerade die Bergarbeiterbevöl- kerung kennzeichnete damals ein erschre- ckend niedriges Niveau: unsittliches und leibliches Proletariat, Unkultur, Rohheit, Zü- gellosigkeit, Dürftigkeit und Elend. Erst viel später war es der berühmte Bergrat Leopold Sello, der anregte, Siedlungen und günstige Eigenheime für die bodenständigen saarlän- dischen Bergarbeiter zu bauen, die sie durch eine gute Finanzierung in Angriff nehmen konnten. Davon zeugen noch heute zahl-
Postkarte mit der Kameradschaft St. Barbara im Historischen Ortskern von Ottweiler
weiße durch eine schwarze Hose abgelöst Voran ging immer die Fahne mit zwei Fah- nenjunkern mit Schärpen. Bis heute befinden sich im Bestand des Knappenvereins noch vier Fahnen. Es gab allerdings Bexbacher Gastronomen, die hinter vorgehaltener Hand
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 immer wieder vor. Im königlich-bayerischen Steinkohlenbergwerk Bexbach, der sog. „Max-Joseph-Grube“ waren sie eher seltener. Dennoch wurde der ein oder andere „vunn de Grub geschlaah“, d.h. verunglückte oder starb während der Arbeit. Wohlstand und Armut gingen so manchmal Hand in Hand zu jener Zeit. 1850 wird aus unserer saar- pfälzischen Region berichtet „Die Zahl der Armen rekrutiert sich aus dem Mittelstand. Der Lohn bleibt bei der Steigerung der Le- bensmittelkosten nicht der nämliche, son- dern wird herabgedrückt. Viele leben in dop- pelter geistiger und leiblicher Armut, beson- ders schlimm ist die Verwahrlosung der Ju-
 Am Barbaratag, 4. Dezember des Jah- res 1859, wurde in der Pfarrkirche St. Martin in Mittelbexbach in feierlicher Weise der St. Barbara-Verein für Berg- und Hüttenleute ins Leben gerufen. In feierlicher Prozession unter Vorantritt der Mittelbexbacher Bergkapelle und mit Obereinfahrer Eugen Müller an der Spitze meldeten sich 80 Bergleute an. Abends fand eine Versammlung statt, in der Sinn und Zweck der neuen Gemeinschaft vorgestellt wurde.
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