Page 23 - Stadtmagazin "es Heftche"® | Ausgabe 124, Dezember 2022
P. 23
Weltmacht vielfach auf erbitterten Wider- stand, doch der hohe Lebensstandard, den sie mitbrachte, erleichterte die Integration: das hochentwickelte römische Recht, die im- ponierende Versorgungslage, die Freizeitkul-
Venus als melancholische Göttin, weil sie nur auf ihre Schönheit reduziert wird und ihre in- neren Werte unbeachtet bleiben (Kunstwerk der Schülerin Katharina Kirsten, Angela-Meri- ci-Gymnasium)
tur, vor allem die Thermen (Bade- und Frei- zeitanlagen mit oft kostenlosem Eintritt), Theater und Unterhaltung im Sinne von „Brot und Spielen“ mit Gladiatorenkämpfen und Wagenrennen in großen Arenen, den Vorläufern unserer heutigen Sportstadien. Aber auch schönes und komfortables Woh-
Diesen Artikel und weitere Berichte finden Sie auch unter www.es-heftche.de
nen mit Zentralheizung (u.a. Fußbodenhei- zung), Wandmalereien, Mosaiken, Skulptu- ren und allerlei anderen Kunstwerken haben in der antiken Welt eine anziehende Wir- kung entfacht. Auch die repräsentativen Großbauten (manchmal mit faszinierenden Gewölbedecken wie im Pantheon) als reine Zweck- oder Propagandabauten verfehlten ihre Wirkung nicht. Das gute Gespür der Rö- mer für das Mögliche, Nützliche, Praktische und Sensationelle spiegelt sich darin wider. Kunst, Literatur, Philosophie und Naturwis- senschaften, Architektur und Erziehung ori- entierten sich zunächst an griechischen Vor- bildern und erreichten Blütezeiten, von de- nen andere Völker nur träumten. Die ge- meinsame Währung mit Aureus (Goldmün- ze), Denar, Sesterz u.a. hatte sowohl eine alltagspraktische (materielle) als auch eine völkerverbindende (ideelle) Bedeutung – ähnlich dem heutigen Euro. Die lateinische Sprache beeinflusst bis in die Gegenwart die
abendländischen Sprachen („Mutter Latein und ihre Töchter“). Das Buch „Capitolinus und seine Freunde“ über das Leben im anti- ken Schwarzenacker vermittelt auch einen Eindruck von der unübersehbaren Vielzahl
„Eine Konstante“: die Frau als nahezu rechtlo- se Marionette, ein Missstand in vielen Staaten der Weltgeschichte (Kunstwerk von Ida Kla- sen, Angela-Merici-Gymnasium)
römischer Lebensweisheiten, Redensarten, Sprich- und Lehnwörter in unserer Gegen- wartssprache. Die Römer schufen – ebenso wie die Griechen – als Kulturvermittler das Fundament unserer europäischen Kultur. Na- türlich sind auch viele negative Begleiter- scheinungen mit ihrer Weltherrschaft ver- bunden: Profit- und Beutegier, kapitalistische Ausbeutung von Ressourcen und Menschen (Kahlschlag von Wäldern für den Schiffbau, Sklavenhaltergesellschaft usw.), Umweltver- schmutzung, Lärm und Gestank in den Städ- ten, das Elend der Mietshäuser und der schroffe Kontrast zwischen Arm und Reich. Die „gesättigte“ Oberschicht verwöhnte sich mit Luxusgütern, teuren Delikatessen, Gast- mählern und der gefälligen Dienerschaft von Sklaven. Die fortschreitende Dekadenz und Verwahrlosung der Sitten wurde vor allem
Anzeige
in der Spätantike zunehmend aus den eige- nen Reihen beklagt. Kein Zweifel, die Römer haben Phänomenales geleistet, wurden als Weltmacht – wie die Amerikaner heutzutage – bewundert, aber auch gefürchtet und ge- hasst. Sie haben Maßstäbe gesetzt, im Posi- tiven wie im Negativen, und prägen damit immer noch unsere Gegenwart. Viele Er- scheinungsformen des modernen Lebens ka- men bereits in abgewandelter Form in der römischen Antike vor: Intrigen, Treuebrüche, Seitensprünge, Mode- und Schönheitswahn, Luxus, Habgier, Erpressung, Ausbeutung, Hochmut, Charisma, menschliche Abgrün- de, Propaganda- und Verführungsstrategien, aber auch Charakterfestigkeit, Wehrhaftig-
Schüler(innen) des Saarpfalz-Gymnasiums mit ihrem Lehrer Eberhard Jung im Innenhof der Kapitolinischen Museen in Rom vor den Überresten der monumentalen Konstantinskulptur (Juni 2015)
keit, vorbildliches Verhalten usw. Die vielen römischen Sprichwörter künden noch heute davon: „mundus vult decipi“ (die Welt will betrogen sein), „pecunia non olet“ (Geld stinkt nicht), „errare humanum est“ (Irren ist menschlich“), „prudentia est potentia“ (Wis- sen ist Macht), „in vino veritas“ (im Wein liegt die Wahrheit), „carpe diem / noctem“ (nutze den Tag / die Nacht), „variatio delec- tat“ (die Verschiedenartigkeit erfreut), „tem- pus fugit“ (die Zeit eilt), „o tempora, o mo- res“ (o Zeiten, o Sitten!), „sic transit gloria mundi“ (so vergeht der Ruhm der Welt) usw.
Eberhard Jung
Ausgabe 124 / Dezember 2022
23