Page 8 - Ausgabe 114 / Februar 2022
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 Die Bexbacher Innenstadt früher und heute
Interessante Ansichten des beschaulichen Ortes
bis heute als „Schmerzensallee“ bezeichnet wird. Zwar ist das wieder instand gesetzte frühere Ärztehaus in einem modernisierten und ansehnlichen Zustand, vom Baukörper allerdings bleibt es der Umgebung fremd. Ei- nen solchen Fremdkörper wünschen sich die Bexbacher eigentlich nicht als Ersatz für die Rosenapotheke, deren Tage endgültig gezählt sind. Würde man jener Argumentation folgen, dass nämlich eine Innenrenovierung finan- ziell „aufgrund des großen Renovierungs- staus“ nicht machbar sei, dürfte es so idylli- sche Ortschaften wie Limbach oder Städte wie Blieskastel gar nicht mehr geben. Dort hat man mit viel Geduld liebevoll die histo- rische Bausubstanz erhalten, oft im Innern entkernt und nicht wenig finanzielle Mittel in die Hand genommen. Über Jahre und Jahr- zehnte mussten die Hauseigentümer hohe Baukredite abstottern. In Bexbach möchte man es aber modern und kompakt haben, Schönheit und Historie sind nebensächlich. Es scheint, der große Aufschrei kommt erst, wenn es mal wieder zu spät ist. Das Bexba- cher Zentrum wird zwar um einen Neubau reicher, dafür um einen imposanten Altbau ärmer. Ästhetik wird über Bord geworfen, Kommerz heißt die Devise, nach der sich al- les zu richten hat. So passt zwar die neue Wohnanlage zu der von Platten übersäten In- nenstadt, doch das ureigene Flair oder das typisch saarländische „Geheichnis“ bleiben auf der Strecke. Schade eigentlich. Ende der 70er Jahre wurden Planungen zur Innenstadt- sanierung unter dem Obertitel „Sanierung“ getätigt und teilweise durchgeführt. So ge- hörte die Anlegung einer Fußgängerzone um die katholische Kirche, übergeben 1979, da- zu, ebenso der Abbruch alter Häuser wie das schon genannte Ostheimerhaus. Die Markt- platzgestaltung, der Rathaus- und Bahnhofs- vorplatz, die „Grüne Lunge“, Stichstraßen durch die Stadtmitte waren in mittel- und län- gerfristigen Maßnahmen eingebunden. Zu letzteren gehörte der Abbruch der der katho- lischen Martinskirche vorgelagerten Anwesen Pirrung („Funzl“), Hau und Bouché. Eine Stichstraße sollte von der Eisenbahnbrücke bzw. der geplanten Umgehungsstraße aus durch die Niederbexbacher Straße über die Rathausstraße bis zur Oberbexbacher Straße erfolgen. Keine dieser Planungen sind erfolgt. Gottlob. Die Gelder zum Erwerb und Ab- bruch von fast 15 teilweise gewerblich ge- nutzter Gebäude waren zu keiner Zeit vor- handen. Man stelle sich vor, wie sich die ohnehin sehr monumentale Martinskirche im neoromanischen Basilikenstil ohne die noch stehenden vorgelagerten Häuser in der In- nenstadt positioniert. Sie wurde 1880/81 in- mitten alter historischer Bausubstanz errichtet. Ohne diese gewachsene Umgebung wäre sie wie ein Koloss und man darf froh sein, dass diese Sanierung nie durchgeführt wurde.
Hans-Joseph Britz Ausgabe 114 / Februar 2022
 Der Historiker Hans-Joseph Britz blickt auf die Bexbacher Innenstadt, eine in- teressante Ansicht der kleinen Stadt. Oft noch nach Jahrzehnten hört man Zeitgenossen darüber rätseln, weshalb dies und jenes Gebäude in der Vergan- genheit abgerissen wurde. In Bexbach wird dann immer wieder das alte Ost- heimerhaus genannt, das einst auf- grund seiner Fachwerkgestaltung ein echter Hingucker war.
Der heutige wuchtige Komplex wird nach wie vor als Fremdkörper empfunden. Selbst der Bauherr musste sich damals den archi- tektonisch vorgeschriebenen städtebaulichen Leitlinien unterordnen. Modernität war an- gesagt und großstädtisches Know How. Da blieb der alte Ortskern auf der Strecke. Und in Bexbach war es gerade die heutige Innen- stadt zwischen Oberbexbacher-, Rathaus- und Bahnhofstraße, die lange Jahre den Bex- bacher Marktplatz darstellte. Unzählige Post- karten zeugen von dörflicher Schönheit: da standen die Reitschulen und Karussells, es wurde Kerb und Markt gehalten und vor der Rosenapotheke stand die Gemeindewaage, später versetzt neben die Bäckerei Zahn in die ehemalige Johannesstraße (seit 1974: Jo- hannes-Bossung-Straße). Das Anwesen von August Zahn, ein typisches Geschäftshaus des 19. Jahrhunderts, ist schon lange verschwun- den und durch einen Bau der 60er Jahre er- setzt worden. Auch „Kleine Wertschaft“ mit angebauter Metzgerei, wurde vor einem hal- ben Jahrhundert abgerissen und durch einen schlichten Neubau als Hotel mit Kellergas- tronomie ersetzt und weitergeführt. Von der schön gestalteten Fassade mit in Reim gefass- ten Trinksprüchen hat lediglich der Bierpatron Gambrinus überlebt. Wenn man in die Gast- stube vom „Klein Hennerich“ kam, war diese umrahmt von einer damals üblichen dunklen Holzvertäfelung. Eine gewisse Heimeligkeit war ohne Zweifel vorhanden. Immerhin tran- ken hier Generationen von Bexbachern ihr schön gezapftes Bierchen. Der Eigentümer betrieb im Untergeschoss des Neubaus den ebenfalls noch oft genannten „Stadtkeller“, eingerichtet mit schönen antiken Sammler- stücken, für die sich „de Klein Kurt“ bereits früh begeisterte. Auch diese Wirtschaft ist seit Jahren dicht. Letzte Betreiber waren „de Hob- be“ und Wolfgang Schmitz. Überhaupt war Bexbach für seine Vielzahl gastronomischer Betriebe weit und breit bekannt, das „sündige Dorf“ machte in dieser Hinsicht seinem Na-
men alle Ehre. Sehr beliebt waren der Schnei- der Hermann und sein Trudchen, die die aus einer alten Brauerei und Mälzerei hervorge- gangene „Wirtschaft Schirber“ betrieben. Dort gab es in den 50er und 60er Jahren Livemusik auf einer Bühne und in der Eingangstür be- fand sich der damals Gasthäusern eigentüm- liche „Schalter“ mit Minitresen, an dem man das Bier in Flaschen oder den berühmten „Bomber“ abholen konnte. Der heute 88jäh- rige Hans Britz und sein Bruder Josefried übergaben im Auftrag ihres Großvater, des Zimmermeisters Friedrich Wasemann wäh- rend des Krieges einen „Stein“, d.h. einen Krug, der vom damaligen Pächter Franz Spies mit Bier gefüllt wurde. Nun erlaubten sich die Jungs, auf dem kurzen Weg nach Hause den Schaum abzutrinken. Ein gut gezapftes Bier hatte nun mal einen „Feldwebel“. Wenn der fehlte, folgte schlagmäßig ein kleines Donnerwetter vom Alten. „Scherbersch Wert- schaft“ steht ebenfalls seit den 70er Jahren
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nicht mehr. Nach dem Großbrand von 1974, von dem bis heute gemunkelt wurde, er sei bewusst gelegt worden, brach man die alte Malzfabrik ab, wobei der interessante „Plätt- cheskeller“ zum Vorschein kam, ein mit Ville- roy + Boch-Platten umfasster Raum, ur- sprünglich für die Kühlung des Malzes, später Schießstand der Schützen. Die beiden Ran- ker’schen Anwesen in der Bahnhofstraße ste- hen ebenfalls seit den frühen 70er Jahren nicht mehr. Aus verkehrstechnischen Grün- den musste das alte Bauernhaus von Max Ranker weichen. Mit seiner Frau Anna und Sohn Peter zog er daraufhin in einen Neubau, in dem sie sich nicht mehr sehr wohl fühlten. Auch dieser ist verschwunden. Lediglich eine alte Flachsbreche und die Brunnenarmaturen von Rankers haben im Fundus des Heimat- kundevereins überlebt. Einige Meter weiter wurde das frühere Kaufhaus Hägin samt Ärz- tehaus gebaut. Dafür mussten zwei stattliche Geschäfts- und Wohnhäuser weichen, errich- tet nach der Jahrhundertwende. Links das An- wesen von Zahnarzt Martin Sander, daneben die große Toreinfahrt der Baustoffhandlung Max Ranker (nicht mit dem vorgenannten Bauern verwandt), deren Betriebsräume bis zur Ladestraße reichten, die im Volksmund
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