Page 38 - Ausgabe 115 / März 2022
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 Spuren der Freiheit und Unterdrückung
Wie die Berliner dem Leben mit Humor begegnen
Teil 4
narch des aufgeklärten Absolutismus formte Preußen erfolgreich zur Großmacht, baute einen Rechtsstaat auf und sorgte sich um das Wohl seiner Untertanen. Er betrieb zum Bei- spiel den großflächigen Anbau von Kartof- feln als Grundnahrungsmittel. Daran erin- nern heutzutage werbewirksam viele origi- nelle Pommes-frites-Verkäufer in der Region Berlin-Potsdam mit der Schreibweise „Pom Fritz“. Der Preußenkönig definierte sich als „der erste Diener“ seines Staates und ver- körperte vorbildlich die preußischen Tugen-
„Eine Regierung muss sparsam sein, weil das Geld, das sie erhält, aus dem Blut und Schweiß ihres Volkes stammt. Es ist gerecht, dass jeder Einzelne dazu beiträgt, die Aus- gaben des Staates tragen zu helfen. Aber es ist nicht gerecht, dass er die Hälfte seines jährlichen Einkommens mit dem Staate tei- len muss.“
Diese heute immer noch hochaktuelle Auf- fassung stammt von dem Preußenkönig Friedrich II., der von 1712 bis 1786 lebte und dessen 310. Geburtstag am 24. Januar 2022 erneut Anlass bot zur Beschäftigung mit dem ebenso volkstümlichen wie umstrit- tenen Hohenzollernherrscher, den schon sei- ne Zeitgenossen „den Großen“ nannten. Sei- ne Biografie ist hochdramatisch und span- nend wie kaum eine andere. Sie bietet einen idealen Film- und Diskussionsstoff, vor allem
Friedrich der Große hoch zu Ross, gemalt von Alina Keßler aus der AG Geschichte des Saarpfalz-Gymnasiums (2011)
wegen seiner Zwiespältigkeit, Vielseitigkeit, philosophischen Weitsicht und Weisheiten, die er selbst allerdings bei Bedarf missachtete – ganz nach seinem Motto: „Die Klugheit ist sehr geeignet zu bewahren, was man be- sitzt, doch allein die Kühnheit versteht zu erwerben.“ Friedrich war ein zukunftswei- sender Reformer, aber auch ein eiskalter Machtpolitiker und eroberungssüchtiger Kriegsherr, ein intellektueller Aufklärer, der die Leibeigenschaft und Folter abschaffte, den Rechtsstaat und die Kunst förderte, zu- dem Untertanengeist und eiserne Disziplin einforderte. Dieser Philosoph und kunstin- teressierte Flötenspieler von Schloss Sans- souci überfiel ruhm- und profitgierig seine
Nachbarstaaten, obwohl er als junger Kron- prinz despotische Willkür abgelehnt und in seiner Schrift „Antimachiavell“ (1739/40) von friedlichen Idealen, Humanität und ed- len Herrschertugenden geträumt hatte. Öf- fentlichkeitswirksam trat er zuweilen in einer
  Schüler(innen) des Saarpfalz-Gymnasiums mit ihrem Lehrer Eberhard Jung am Grab Friedrichs II. im Schlosspark von Sanssouci bei Potsdam (2009). Hier ist es Brauch, Kartoffeln, statt Blumen aufs Grab zu legen, weil der Preußenkönig sich im 18. Jahrhundert um den Anbau von Kartoffeln als Grundnahrungsmittel verdient gemacht hat.
alten und geflickten Uniform auf, um seine Sparsamkeit zu veranschaulichen. Populär war auch sein Humor: „Es heißt, dass wir Könige auf Erden die Ebenbilder Gottes sei- en. Ich habe mich daraufhin im Spiegel be- trachtet. Sehr schmeichelhaft für den lieben Gott ist das nicht.“ Nach seiner Thronbestei- gung 1740 rückte er vielfach von seinen ehe- maligen Idealen ab, weil er dem herunter- gekommenen Preußen mehr Schlagkraft und Wohlstand bringen wollte. Seine Staatsräson spiegelt sich wider in der Äußerung: „Wer seine Absichten zu früh enthüllt, bringt sie zum Scheitern. Denn er gibt seinen Feinden und Neidern zu Gegenmaßnahmen Zeit. Wer schweigen kann, der kann zu schönen Eroberungen gelangen.“ Adolf Hitler bewun- derte ihn deshalb als vermeintlichen „Na- tionalsozialist auf dem Preußenthron“ und vereinnahmte ihn als Vorbild für seine Pro- paganda. Der risikofreudige Hohenzollern- könig hatte in seinen Kriegen alles aufs Spiel gesetzt und gegen eine Übermacht standge- halten. Sein Mythos verführte Hitler bis zum Untergang 1945. Dennoch unterschied sich Friedrich ganz deutlich von dem maßlosen Diktator des Zweiten Weltkriegs: Der Mo-
den Bescheidenheit, Pflichterfüllung und Disziplin. Er zog an der Seite seiner Soldaten wagemutig in die Schlacht, begab sich selbst in Gefahr und faszinierte sie mit seinem
Denkmal des Bildungsreformers Wilhelm von Humboldt (1767-1835) vor dem Hauptgebäu- de der Humboldt-Universität in der Prachtstraße Unter den Linden
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