Ukrainische Gäste in Homburg
Anlass war die feierliche Segnung eines Kreuzes
Am Freitag der Osterwoche wurde im Waldgebiet „Am Rossberg“ in einer feierlichen Zeremonie das vor über einem Jahr aufgestellte ostkirchliche Kreuz aus Cortènestahl eingeweiht. Es war in privater Initiative von MitarbeiterInnen der Uniklinik Homburg, federführend unter Werner Buser vom Dezernat II, gestiftet worden.
Bereits Jahre zuvor gab es Bemühungen, hier einen Gedenkort in Erinnerung an die einst im Landeskrankhaus umgekommenen meist ukrainischen, aber auch russischen Soldaten des Zweiten Weltkriegs zu schaffen. Die Feier begann bei den Eheleuten Helga und Peter Burgard. Burgard war unter vier Ministerpräsidenten in der Saarbrücker Staatskanzlei tätig und ist trotz seines Alters immer noch sehr geschichtlich und kulturell interessiert. Er, ebenso wie sein Nachbar, der frühere Ehrenpräsident der saarländischen Notarkammer, Justizrat Prof.Dr. Rolf Dieter Zawar, können sich bis heute noch gut an den im Wald versteckten Friedhof erinnern. Landrat Dr. Theophil Gallo, Homburgs Bürgermeister Michael Forster, der Beigeordnete Manfred Rippel und die Europabeauftragte des Kreises, Dr. Violetta Frys, erwarteten gemeinsam mit Werner Buser und Revierförster Joachim Altmeier die Gäste aus Eichstätt und der Ukraine.
Prozession und byzantinische Gesänge
In einer Prozession ging es den fahnengeschmückten Waldweg entlang zur Gedenkstätte. Archimandrit Dr. Andreas-Abraham Thiermeyer, der Gründungsrektor des „Collegium Orientale“ in Eichstätt, nahm im traditionellen Ornat die feierliche Weihe vor. Begleitet wurde er von den Sängerinnen und Sängern um Debora Bode sowie dem aus der Ukraine stammenden Geistlichen Vasyl Vasylychyn, zur Zeit Kaplan in Zweibrücken und Erzpriester Dr. Olexsandr Petrynko, Rektor des Collegium Orientale und des Collegium Willibaldinum (Priesterseminar) in Eichstätt. Der Wallerfanger Pastor Herbert Gräff, zu dessen 60. Geburtstag die Gäste an die Saar gekommen waren, hielt den Osterleuchter der byzantinischen Kirche zur Segnung bereit. Sie hatten es sich nicht nehmen lassen, das schlichte Dreibalkenkreuz einzuweihen, da es Gedenken und Mahnung nicht nur für Vergangenes symbolisiert, sondern auch für den gegenwärtigen Angriffskrieg auf die Ukraine steht und zum Innehalten und Gebet für den Frieden einlädt.
Licht ins Dunkel der Geschichte
Zunächst begrüßte Landrat Dr. Gallo die Gäste und betonte die starke Verbundenheit und das Engagement des Kreises mit der Ukraine. Bürgermeister Michael Forster und der neue Beigeordnete Manfred Rippel hatten namens der Stadt einen Kranz „in stillem Gedenken“ niedergelegt. Forster erwähnte jene Nachforschungen seitens des städtischen Archivs, die durch eine eher zufällige Nachfrage aus dem Jahr 2015 ausgelöst wurden, nachdem Angehörige eines in Homburg umgekommenen ukrainischen Kriegsgefangenen dessen Grab auf dem so genannten „Russenfriedhof“ aufsuchen wollten. Die Angehörigen hatten damals in Kopie eine Lagerkarte aus dem ehemaligen Landeskrankenhaus mitgebracht, auf der Rückseitig Sterbefall, Sterbe- und Bestattungsort eingetragen waren: „Russenfriedhof Homburg“. Erste Nachfragen von Britz waren nicht von Erfolg gekrönt, doch er ließ sich nicht entmutigen und ging weiter auf Spurensuche, die bis heute noch nicht beendet ist. Erste Zeitzeugen wurden ausgemacht, darunter die damaligen städtischen Mitarbeiter August Anna und Wilhelm Grub. Beide waren bei der Umbettung der Gebeine im Jahre 1955 zugegen. Darüber hinaus lagen tief im Keller des großen Rathausarchivs entsprechende Akten. Nach und nach kam immer mehr Licht ins Dunkel der Vergangenheit. Mittlerweile wurde auch jenes Grundstück, wo man die Toten am Rossberg „verscharrte“, eingemessen. Archivar Hans-Joseph Britz beleuchtete kurz die Hintergründe während der Gedenkveranstaltung.
Die Toten vom Rossberg
Tatsächlich gab es mitten im Waldgebiet Rossberg einen Friedhof, auf dem 300 Ukrainer und Russen sowie eine slawische Adlige in mehreren Massengräbern verscharrt wurden, nachdem die Kapazität des städtischen Friedhofs allmählich erschöpft war. Sie kamen zuvor aus dem französischen Stalag XII-F Ban-St. Jean (Stammlager Johannis-Bannberg) in Denting nahe Boulay, das wegen Thyphus ab 1942 keine Kriegsgefangenen mehr aufnehmen konnte und sie daher nach Homburg verlegte. Dieses Lager, nur 20 Km von der saarländischen Grenze entfernt, ist die Hauptgedenkstätte für ukrainische Kriegsgefangene in Frankreich. Ein großes ostkirchliches Kreuz mit ukrainischer und französischer Inschrift weist auf die Geschichte und Bedeutung des Ortes hin. Nach der Überführung der Ukrainer und Russen von Frankreich nach Deutschland, fanden diese Unterkunft auf dem Terrain des damaligen zum Reservelazarett umfunktionierten Landeskrankenhaus. Oberstabsarzt Dr. Hanns-Heinrich Heene führte Zwangssterilisationen aus und schickte als Begutachter des Erbgesundheitsgerichts im Sinne der “Rassenhygiene“ psychisch erkrankte Menschen im Zuge der Euthanasie in die Gaskammern. Ende 1941 ließ er primitive Holzbaracken nahe der Augenklinik als Unterkunft für die ausländischen Soldaten errichten. Insgesamt starben im Klinikgelände, vor allem aus dem im Volksmund nur „Russenlager“ genannten Lazarett mehrere Hundert Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter an Erschöpfung, schlechten Lebensbedingungen, an mangelnder Ernährung, unzureichender medizinischer Versorgung oder sie wurden auf der Flucht erschossen.
Überlebende berichten von unsagbaren Zuständen in diesem Lager. Die Bevölkerung nannte die Insassen des Lagers „Russen“, obwohl es sich zum Großteil um ukrainische Gefangene, die laut der Karteikarten wiederum mehrheitlich der griechisch-katholischen Kirche ihres Landes angehörten, handelte. Die Untersuchungen hierzu laufen seit Jahren über das Gedenkportal „Memorial“. Ukrainer und Russen standen damals auf der gleichen Seite und kämpften gemeinsam gegen deutsche Soldaten. Das kehrte sich 2014 mit der Krim-Besetzung und 2022 nach dem Angriff Russlands auf den ehemaligen „kleinen Bruder“ Ukraine völlig ins Gegenteil.
Gedenkstätte und Mahnung zum Frieden
Seit kurzem beschäftigt sich die aus Merlebach im benachbarten Lothringen stammende junge Historikerin Chrystalle Zebdi-Bartz mit dieser Thematik. Eines ihrer Forschungsobjekte ist das Stalag XII Boulay. Zur Kreuzsegnung kam sie eigens nach Homburg. Landrat Gallo erwog angesichts der anwesenden Geistlichkeit aus der Ukraine die Möglichkeit, einen Stipendiaten oder eine Stipendiatin für das Thema ausländischer Kriegsgefangener und Zwangsarbeiter begeistern zu können, um mehr Licht ins Dunkel der Geschichte zu bringen. Rektor Oleksandr Petrynko versprach, an den Universitäten von Eichstätt und Lwiw/Ukraine diesbezüglich tätig zu werden.
Das ostkirchliche Dreibalkenkreuz „Am Rossberg“ wird zukünftig Gedenkort und Anlaufstelle für Vertreter slawischer Länder sein. Es steht auch für die Hunderte in Homburgr während des Zweiten Weltkrieges verstorbenen und auf dem städtischen Friedhof, in den Stadtteilen oder auf dem ehemaligen Anstaltsfriedhof begrabenen Soldaten. Leider wurden in der Vergangenheit bestehende Gräber aufgelöst, so dass nur noch einige wenige Granitkreuze an diese Zeit erinnern. Auch der Gedenkort Landeskrankenhaus wird seinem Anspruch nicht gerecht. Auf einer kleinen Tafel, sang- und klanglos 2021 von der Staatskanzlei angebracht, wird stellvertretend für alle in Homburg umgekommenen russischen Soldaten an „29 russische Märtyrer“ des 2. Weltkriegs erinnert. Allerdings enthält diese Tafel grobe Fehler und Ungenauigkeiten. Tatsächlich befinden sich an nicht gekennzeichneter Stelle auf diesem Friedhof noch immer die Gräber von 29 russischen Soldaten. Auf dem ehemaligen Friedhof „Rossberg“ wurden 1955 über 300 Skelette nach Besch umgebettet und auf dem Stadtfriedhof fanden mehrere Hundert Beisetzungen statt. Allein die Relation der Zahlen wird dem Gedenken nicht gerecht. Ein weiterer Fauxpas liegt in der Bezeichnung „ Märtyrer“. Soldaten waren und sind keine Märtyrer, denn das würde bedeuten, dass sie freiwillig für ihr Land kämpfen und sterben. Das wollten jene Soldaten, die „für Volk und Vaterland“ ihr Leben ließen, sicherlich nicht. Der Begriff „Märtyrer“ stammt aus dem religiösen Bereich und steht für jene, die ihr Leben für den Glauben opferten.
Auch Bürgermeister Forster fragte sich beim Anblick des Kreuzes im Homburger Wald, weshalb es gerade hier an diesem Ort im Wald stehe. Die Hintergründe wurden bei der Einsegnung beleuchtet. Es wird erwägt, eine kleine Tafel mit kurzen Erläuterungen in deutscher, ukrainischer und russischer Sprache neben dem Kreuz aufzustellen. Vielleicht können nach Beendigung des Ukrainekonfliktes auch wieder die ukrainische und die russische Fahne an dieser Stätte wehen.
Archimandrit Andreas Abraham Thiermeyer, ein gebürtiger Bayer, zelebrierte den ostkirchlichen Ritus der Kreuzweihe in Verbindung mit einem Totengedenken, der sog. „Pannychida“. In die Fürbitten focht er ein Gebet für die Täter ein und empfahl auch sie Gottes Gerechtigkeit. Die Gesänge der Feier gingen manchen der Anwesenden ins Herz, da sie auf uralten byzantinischen Traditionen beruhen, wie sie bis heute in den slawischen Ostkirchen gebräuchlich sind. Daher auch die Ikonen und ein typisches ukrainisches gesticktes Tuch beim Kreuz. Rektor Petrynko stellte den Anwesenden die weltweite Einmaligkeit des „Collegium Orientale“ Eichstätt vor, in dem derzeit rund 50 Studenten der verschiedensten Ostkirchen von Äthiopien bis Rumänien und von Indien bis zur Ukraine studieren, teilweise mit ihren Familien, denn die mit Rom unierten Ostkirchen kennen keinen Pflichtzölibat wie die Westkirche. Als Priester in ihre Heimat zurückgekehrt wirken sie als Versöhner unter den Religionen, die sich oftmals bekämpfen. Beim anschließendem Beisammensein freute sich Landrat Gallo, seit Jahren partnerschaftlich mit Ostpolen und der Ukraine verbunden, über das erste Kennenlernen und möchte die Kontakte erweitern. Für Archimandrit Thiermeyer war die Kreis- und Universitätsstadt ohnehin kein fremdes Terrain, er hatte in Homburg einen guten Freund aus den Tagen des gemeinsamen Studiums in Homburg, den früheren Organisten St. Michael, den mittlerweile verstorbenen Karl Dejon. © Hans-Joseph Britz