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    Der historische Aufzug „Elevador de Santa Justa“
über das Gelände der Expo 98 bietet einen atemberaubenden Blick über die Stadt. Auch in der näheren Umgebung von Lissabon gibt es einiges zu entdecken. Sintra mit seinen zahlreichen Schlössern und Palästen eignet sich für einen Tagesausflug. Außerhalb der Großstadt lockt die Sommerfrische an den Atlantikstränden, etwa bei Cascais und Es- toril, die mit dem Zug nostalgisch zu errei- chen sind. Im mondänen Seebad Estoril ma- chen bevorzugt Reiche, Prominente und
war die „Bar Famous“ im Hotel „Palacio Es- toril“ neben dem berühmt-berüchtigten Ca- sino. Sie taucht auch in Flemings Bond-Ro- man „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ so- wie im gleichnamigen Film auf. Mit seinen rund 546.000 Einwohnern ist Lis- sabon die mit Abstand größte portugiesische Stadt, aber im Vergleich zu anderen euro-
Statue des Königs Manuel I. (1495-1521)
päischen Hauptstädten eher klein. Im 15. Jahrhundert, dem Zeitalter der Renaissance, begann Portugals Goldenes Zeitalter, entfes- selt durch Wissenschaftler, Seefahrer und Entdecker. 1434 umsegelte Gil Eanes das Kap Bojador an der Nordwestküste Afrikas, 1488 umschiffte Bartolomeu Dias als erster Europäer das Kap der Guten Hoffnung, 1498 fand Vasco da Gama den Seeweg nach In- dien, 1500 landete Pedro Alvares Cabral an der brasilianischen Küste. Durch die Seefah- rer und Wissenschaftler wurden das Men-
verlief fast so schnell wie sein Aufstieg. Das Imperium zehrte das kleine Mutterland völlig aus. Die verlockende Aussicht auf schnellen Reichtum förderte Intrigen, Misswirtschaft und Korruption. Verlustreiche Kämpfe und Kriege mit Rivalen um die Weltherrschaft schwächten die Seefahrernation ebenso wie eine nahezu magnetische Landflucht (in die
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Kolonien), die der Landwirtschaft großen Schaden zufügte. Auch heute noch hat Por- tugal viele Auswanderer zu beklagen. Im Laufe der Zeit gingen nahezu alle Kolonien verloren und schwächten Portugals Wirt- schaftskraft. Zum Staatsgebiet gehören neben dem Festland auf der Iberischen Halbinsel heute nur noch die Inselgruppen der Azoren und Madeira im Atlantischen Ozean. Aus
Auf der Dachterrasse des Hotels „Vila Galé Ópera“ in Lissabon vor der Tejo-Hängebrücke „Ponte 25 de Abril“
Angola und Mosambik verabschiedete sich die einst so stolze Nation nach blutigen Ko- lonialkriegen erst 1975 – auf unrühmliche Weise. Das Veteranenmuseum in Belém er- innert an die gefallenen portugiesischen Sol- daten während der Kolonialkriege von 1961 bis 1974. Nach 1975 suchten hunderttau- sende Bewohner(innen) der ehemaligen Ko- lonien im europäischen „Mutterland“ Zu- flucht. Sie flüchteten vor Hunger, Armut, Krieg und Hoffnungslosigkeit aus ihrer an- gestammten Heimat. Deshalb stellt Hans Magnus Enzensberger in seinen „Portugiesi- schen Grübeleien“ fest: „In keiner anderen Stadt Europas sieht man so viele braune, schwarze, gelbe Menschen wie in Lissabon. Nirgends tritt die dritte Welt selbstverständ- licher auf.“ Lissabon wurde zu einem kos- mopolitischen Treffpunkt der Kulturen. Eine wegweisenden Zäsur war die sogenannte „Nelkenrevolution“, ein Militärputsch am 25. April 1974 gegen die verhasste Diktatur, die über 40 Jahre angedauert hatte. Sie för- derte neue Demokratiebestrebungen in Eu- ropa: zuerst in Portugal, danach in Griechen-
    Azulejos-Darstellung des „Castelo de São Jor- ge“ (an einer Hausfassade vor der Festung)
Golfer Urlaub. Früher trafen sich dort auch internationale Spione im Casino und in den Hotelbars. 1953 veröffentlichte der britische Schriftsteller und ehemalige Geheimdienst- Mitarbeiter Ian Fleming seinen ersten James- Bond-Roman: „Casino Royale“, inspiriert durch seine Erlebnisse im Casino Estoril. In dem damals größten europäischen Casino hatte er sich während des Zweiten Welt- kriegs als Verbindungsoffizier zum US-Ma- rinegeheimdienst oft aufgehalten. Portugal war in dieser Zeit – wie Casablanca – ein
  Balzender Pfau in der Festungsanlage
beliebter Umschlagplatz für Flüchtlinge, Agenten, Spitzel und Informanten und bot gute Möglichkeiten, in die USA auszureisen. Treffpunkt dieser oft zwielichtigen Gestalten
 Straßenbahn der beliebten Linie 12 im Stadtteil Alfama
schen- und Weltbild, die Nautik, Astrono- mie, Astrologie, Geographie, Mathematik und Botanik revolutioniert. Die von Entde- ckerdrang, Abenteuerlust, Sendungsbewusst- sein und Beutegier getriebenen Seefahrer und Eroberer (Konquistadoren) kehrten mit überwältigenden Eindrücken aus fremden Weltregionen in die Heimat zurück, aber mit ihren Gräueltaten und gestohlenem Beu- tegut versündigten sie sich nachhaltig. Der Niedergang des portugiesischen Weltreichs
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