Page 42 - Ausgabe 034 / Juni 2015
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   Historisches aus unserer Region
Homburg und die Ukraine: Bezugspunkte
weis: Hier ruhen 3.600 Ukrainische Opfer des Krieges 1939-45. Zurück zu Homburg: Am 8. Februar 1955 wurden die sterblichen Überreste der 301 unbekannten Kriegsge- fangenen exhumiert und von der alten Mas- sengrablage Rossberg zum internationalen Soldatenfriedhof Perl-Besch umgebettet. Lei- der ruhen sie hier ohne irgendeine Kenn- zeichnung: Kein Kreuz, kein Hinweis auf ih- re Herkunft, kein Bezug zum Sterbeort Hom- burg – stattdessen bekam jeder deutsche Ge- fallene eine Tafel. Bei einem Besuch dieser saarländischen Gedenkstätte war man ver- sucht zu sagen: Im Tode sind nicht alle gleich!
Eine Ukrainische Gemeinde in Homburg
Im Jahre 1978 lernte ich im Rahmen meiner häufigen Besuche in der Benediktinerabtei Tholey Pater Dr. Damian Ludwig Schaefers kennen. Als sein Wagen zur Inspektion war, bat er mich, ihn zur „Göttlichen Liturgie des Hl. Johannes Chrysostomus“ nach Karlsruhe zu fahren, wo ich zum ersten Mal die Schön- heit und Erhabenheit der ostkirchlichen by- zantinischen Messe kennen und schätzen lernte. Ebenso den Bischof der Exilukrainer
Letzte Messe im Elisabethenhaus Homburg 1991
für Deutschland und Skandinavien, Dr. Pla- ton Kornyljak (1920-2000), der rund 10 Jahre später bei uns zuhause in Bexbach als Gast weilte. Pater Damian wiederum war der Seelsorger für die griechisch-katholischen Gläubigen in den Diözesen Trier und Speyer.
 Einleitung
Seit den Unruhen in der ukrainischen Haupt- stadt Kiew kennt fast jeder Europäer den „Majdan“, den „Platz der Unabhängigkeit. Hier begannen im November 2013 die „Orange-Revolution“ und am 18. Februar 2014 die „Euromajdan-Proteste“, letztere mit über 80 Toten. Reporter-Legende Peter Scholl Latour (1924-2014), und Homburger Sie- benpfeiffer-Preisträger von 2003, rechnet in seinem letzten Buch „Der Fluch der bösen Tat“ mit der Politik des Westens ab, wie es keiner vor und keiner nach ihm sich traute. Im Ukraine-Konflikt hält er eine russische Verletzung des Völkerrechts durch die An- nexion der Krim keineswegs für ausgemacht – und bewertet Russlands Vorgehen defensiv statt expansiv. Seine Vita berührt auch unsere Heimat: 1948 bekam er erstmals über sein Volontariat bei der „Saarbrücker Zeitung“
Scholl-Latour, sei einer der großen Auslöser der kriegerischen Differenzen zwischen der West- und der Ostukraine. Es geht auch hier um die Nähe zu Russland, um Nationa- lismus und Orientierung gen Westen.
Spuren bis nach Homburg
Geht man in Homburg auf Spurensuche in Richtung Ukraine, gelangt man in die Kriegs- zeit und zu einem Massengrab auf dem Rossberg nahe der Uniklinik. Es ist nicht mehr existent, jedoch unter dem Namen
    Liturgie mit dem ukrainischen Bischof
aus Paris 1980
Kontakt zum Saarland. Vor seinem Studien- aufenthalt in Beirut war er 1954 und 1955 Sprecher der Landesregierung, Mitarbeiter und Pressereferent des Amtes für Europäische und Auswärtige Angelegenheiten unter Mi- nisterpräsident Johannes Hoffmann. Das Vor- gehen des Westens im Ukraine-Konflikt be- zeichnet er weiter als „dubios“: Amerika ge- be die Richtung vor, in dem es alle Schuld dem Kreml anlaste, und die Europäer fügten sich dem Willen des mächtigen Verbünde- ten. Scholl-Latour: „Wenn Sie sich einmal anschauen, wie einseitig die hiesigen Me- dien, von TAZ bis Welt, über die Ereignisse in der Ukraine berichten, handelt es sich um Desinformation im großen Stil, flankiert von den technischen Möglichkeiten des digitalen Zeitalters, dann kann man nur feststellen, die Globalisierung hat in der Medienwelt zu einer
betrüblichen Provinzialisierung geführt...“ Die Ukraine ist ein mehrheitlich christliches Land. Seit Jahren besteht zwischen fünf gro- ßen Kirchen des orthodoxen und des latei- nischen Ritus ein heftiger, emotional und auch politisch geprägter Streit um Legitima- tion und Immobilien. Dieser Kampf, so
Pontifikalliturgie in Bexbach St. Martin 1989
„Russenfriedhof“ bis 1955 auf städtischem Grundstück nahe der Waldbühne eingetra- gen. Über 300 Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter aus dem Osten wurden dort in 12 Gräbern beigesetzt. Was aber kaum jemand weiß: die dort Verscharrten waren zu 70-80 Prozent Ukrainer und konfessionell der griechisch–katholischen Kirche angehö- rend. Wir wissen dies aufgrund von Unter- lagen, die das russische Internetportal „Me- morial“ herausgibt. Dabei handelt es sich um eine Personenkartei, die im damaligen Landeskrankenhaus geführt wurde mit Bild, Fingerabdrücken, persönlichen Daten einschl. Religionszugehörigkeit, Ehefrau/Kin- der in Deutsch bzw. Ukrainisch/Russisch, Beginn der Gefangenschaft, Arbeitslager, La- zarett, Todestag und Ort der Beisetzung. Hier immer der „Russenfriedhof Rossberg“. Leiter der Krankenstation und des Lagers war Ober- stabsarzt Dr. Heene. 1942 waren in Nähe der heutigen Augenklinik Baracken für so- wjetische Gefangene (Russen/Ukrainer) ein- gerichtet worden. Die kranken, aus allen Ge- bieten der Westmark nach Homburg über- stellen Gefangenen starben zu Hunderten im Reservelazarett oder wurden auf der Flucht erschossen. Die Hauptklientel der Ge- fangenen stammte aus dem Stammlager (Sta- lag XII F/Z) Johannis-Bannberg –Bolchen, heute eine Art militärische „Geisterstadt“ bei Boulay in Lothringen, rund 25 Kilometer hin- ter Saarlouis. An der Westseite des dortigen Lagerfriedhof befindet sich ein Kreuz mit dem Ukrainischen Wappen und dem Hin-
1989 in Bexbach: Pfarrer Groß (†), Pater P. Damian (†), Bischof Platon (†), H.J. Britz
Er hatte dieses Amt von seinem Vorgänger Polanski, in den Siebziger Jahren übernom- men und eine hervorragende Infrastruktur aufgebaut. Unter anderem half er dabei, Chöre ins Leben zu rufen, die sich um die feierliche musikalische Umrahmung der by- zantinischen Gottesdienste in kirchensla- wisch bzw. ukrainisch bemühten. So ent- stand 1975 einer der später professionellsten
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