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Chöre Deutschlands, der „Marpinger Sing- kreis“ mit einem außergewöhnlichen Reper- toire. Daneben gibt es bis heute seit 1971 die „Hobby-Singers“ aus Otterbach, dane- ben entstanden kleinere Chöre in der Abtei „Maria Laach“ und in Altenkessel. Ganz ak- tuell beschäftig sich der traditionsreiche „Schubertchor“ aus Bexbach mit dem Lied- gut der Ukrainer.
Fast jeden Sonntag besuchte P. Damian die oft zerstreut wohnenden Ukrainer von Trier bis Speyer und feierte mit ihnen die Göttliche Liturgie, manchmal zweimal pro Tag. In Homburg diente lange Jahre die Kapelle des St. Elisabethen-Hauses bis zu dessen Schlie- ßung im Jahre 1991 als Domizil. Danach feierte er alle acht Wochen eine Messe in der Klinikkirche. Ich kann mich noch an manche UkrainerInnen aus der Umgebung erinnern: Familien aus der Lappentascher Straße, von der Heimstätte, aus Erbach, der Vorbeter Josef Korpan aus Bexbach, ein äl- terer Mann vom Auffanglager Schernau... Immer wieder kamen andere christliche Deutsche zu den Gottesdiensten, fasziniert von den östlichen Gesänge und der wun- derbaren Riten. In aufopfernder Weise ge- lang es Pater Damian, zunächst von Tholey, seit 1986 von Maria Laach aus, die Exilge- meinde zusammen zu halten. Einige der Exi- lanten blieben nach erlebter Zwangsarbeit im Saarland, andere kamen nach der Kir- chenverfolgung Stalins hierher.
Hundert Jahre Basilianerschwestern in L`wiw
1993 hielt Bischof Platon in Bexbach, St. Martin ein feierliches Pontifikalamt; im glei- chen Jahr fand im St. Wendeler Museum ei- ne von mir konzipierte Ausstellung über die unierte Ostkirche statt. Mit P. Damian war ich mehrmals in der Ukraine: In Lwiw (früher Lemberg), der Hauptstadt der Westukraine, in Iwano-Frankiwsk; mit ukrainischen Pries- tern und Gläubigen bei den Sorben in der Oberlausitz, auf den Katholikentagen in Aa- chen, Berlin, Karlsruhe und Dresden.
Eine besondere Ehre wurde mir zuteil, als ich dem Oberhaupt der griechisch-katholi- schen Kirche, Kardinalerzbischof Myroslaw Ljubaschiwsky in Lwiw eine Arbeit über das neue Ostkirchenrecht überreichen durfte. Wasyl, ein junger Theologiestudent und Aus- maler der Seminarkapelle Lwiw, schrieb mir zwei Ikonen von Jesus und Maria. Er versieht
heute seinen Dienst im Rayon Lemberg, sei- ne Frau ist Religionslehrerin, seine Jungs mi- nistrieren in der heiligen Messe. In seiner Sakristei hängt das Bild des Papstes. Viel zu wenige Zeitgenossen wissen, dass es eine dem Papst unterstellte Kirche gibt, in der die Priester heiraten dürfen.
Der Krisenherd Ukraine
Siebenpfeiffer-Preisträger Scholl-Latour sprach kurz vor seinem Tod über die Probleme in der Ukraine, die er auch auf die religiöse Zerstrittenheit zurückführte. Sowohl die grie- chisch-katholische Kirche - zahlenmäßig in der Westukraine weit verbreitet - als auch die russisch-orthodoxe Kirche, die seit eh und je in der Ostukraine, im Süden und auf der Krim die Mehrheit darstellt, sehen sich als Nachfolger der apostelgleichen Heiligen Großfürstin Olga und ihres Enkelsohnes Wladimir, die das Christentum in der sog. „Kiewer Rus“ seit dem Jahr 988 grundlegten.
Ein eritreisches Brautpaar aus Homburg wurde in Waldmohr getraut 1987 Aufgrund der Zwangseinverleibung der mit Rom verbundenen griechischen Katholiken in die Orthodoxie auf der illegalen sog. „Lemberger Synode“ 1946 und der Verban- nung ihrer Oberhäupter nach Sibiren musste es nach 1989 zwangläufig zu Problemen kommen. Die totgeglaubte Untergrundkirche „Ukrainska Greko-Katholiska Zerkwa“ er- starkte in einem ungeahnten Ausmaß. Die seit 1593 mit Rom vereinigten Gläubigen wollten ihre Kirchen, Bischofssitze und Pfar- reien wieder zurück. Nicht selten und bis heute steht hinter diesen Machtkämpfen pu- rer Hass von beiden Seiten, Unierten und Orthodoxen. Ein Hass, der sich bis in die Gegenwart formiert und das Land, das nicht nur religiös, sondern auch sprachlich (im Westen wird ukrainisch, im Osten russisch gesprochen) und vor allem politisch teilt. Zur Verdeutlichung die prozentuale Religionsver- teilung (o=orthodox, gk=griech.kath). der Be-
völkerung in folgenden Regionen:
Lwiw (o:31,3/gk: 53), Iwano-Frankiwsk (o:36,7/gk:50,9), Kiewer Gebiet (o:65,6/gk 1,8), Odessa (o:58,6/gk: 2,7), Luhansk (o: 56,1/gk:0,4). Dabei ist interessant, dass die Liturgie der Unierten fast identisch wie die der Orthodoxen abläuft, teilweise sogar in altslawisch. Dennoch werden sie vielfach als „Proselyten“ (=Abwerber) betitelt. Ob-
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wohl mit Rom vereint, dürfen die griechisch- katholischen Priester sich bis zur Weihe ent- weder zur Heirat oder zur Ehelosigkeit ent- scheiden. Nach Konsultation beim „Vater“ (Pfarrer) ist selbsteine Scheidung möglich. In diesem Sinne sind die unierten den römi- schen Katholiken weit voraus.
Leider spaltete sich die Orthodoxie der Ukraine seit 1991 in Teilen vom Moskauer Patriarchat ab. Diese Konflikte sind ein Hauptproblem des religiösen Lebens in der Ukraine, das nicht nur den Löwenanteil der sozialen Energie verschlingt, sondern auch die Grundlagen des bürgerlichen Friedens in der ukrainischen Gesellschaft bedroht. Im Zentrum der Konflikte stehen der Gegensatz der Identitäten, der die politischen, kulturel- len und religiösen Unterschiede widerspie- gelt, das unterschiedliche Niveau des natio- nalen Bewusstseins und die Modelle des his- torischen Gedächtnisses. Beispielhaft dafür ist jener 18. Juli 1995, als es vor der Sophien- kathedrale im Zentrum Kiews zu einer denk- würdigen Massenschlägerei zwischen ortho- doxen Christen verschiedener Richtung kam.
Fazit: Wenn es die verschiedenen Kirchen der Ukraine – die ein Spiegelbild der Ge- sellschaft darstellen – nicht in der Lage sind
Ausschnitt Massengräber auf dem sog. Russenfriedhof in Homburg
miteinander zu sprechen, verlieren letzten Endes alle und ihr Christentum ist Heuchelei. Die großen politischen, religiösen, wirt- schaftlichen und herkunftsprägenden Unter- schiede der Menschen müssen überwunden werden und können weder von der pseudo- demokratischen Kiewer Regierung noch von Staatspräsident Putin einseitig indoktriniert werden. Hier hilft nur ein mühsames aufein- ander Hören und gegenseitiges Verstehen ler- nen. Die Kirchen könnten hier ihren Beitrag leisten; doch der ist kaum zu vernehmen.
Für Homburg ist ein Gottesdienst geplant in Erinnerung an die hier verstorbenen und ermordeten ukrainischen und russischen Kriegsgefangenen. Ausgangspunkt wird die Klinikkirche sein, Endstation der „Russen- friedhof“ im Wald. Dies nennt man Erinne- rungskultur, mit der man sich auseinander- setzten sollte, um der Freiheit, der Demo- kratie und des Rechtes willen. hjb
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