Jeder Schüler hat eine Chance verdient
Ist Inklusion gescheitert oder kann sie gerettet werden
Mit der Frage ob Inklusion nun gescheitert ist oder ob man sie noch retten kann, befasst sich der Schulleiter und Buchautor Thomas Höchst aus Homburg in den letzten Monaten verstärkt befasst. Seit nunmehr 15 Jahren kämpft er beruflich und privat um die Umsetzung von Inklusion in der Praxis.
Beginnen wir einmal ganz vorn vorne. Wie beschreibt man eigentlich Inklusion? „Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch ganz natürlich dazu gehört. Oder anders: Inklusion ist, wenn alle mitmachen dürfen. Egal wie du aussiehst, welche Sprache du sprichst oder ob du eine Behinderung hast. Zum Beispiel: Kinder mit und ohne Behinderung lernen zusammen in der Schule. Wenn jeder Mensch überall dabei sein kann, am Arbeitsplatz, beim Wohnen oder in der Freizeit: Das ist Inklusion. Quelle: https://www.aktion-mensch.de/dafuer-stehen-wir/was-ist-inklusion.“ In der Praxis aber funktioniert Inklusion leider meist nicht, weil die Voraussetzungen so oft fehlen. Für Thomas Höchst ist das Thema Inklusion ein privates, wie auch ein berufliches Thema mit dem er sich sehr intensiv auseinandersetzt. Höchst ist Schulleiter einer großen Gesamtschule, die als Schwerpunktschule auch bevorzugt Schüler/innen mit Behinderungen aufnimmt. Schon alleine dies wäre Grund genug sich mit diesem so wichtigen Thema auseinanderzusetzen. „ Jeder hat im (Schul)Leben eine Chance verdient, am besten eine echte.Ohne Inklusion ist dies nicht möglich.“, dieses Zitat von Thomas Höchst spiegelt die Wichtigkeit von echter Inklusion wider. Es geht Höchst um den dringend notwendigen Blick in die Zukunft. Er möchte einen kleinen Teil dazu beitragen das Thema Inklusion, das fast vergessen ist, wieder in den Vordergrund zu rücken. Sei es gerne mit der kritischen Auseinandersetzung mit seinen Erkenntnissen und Vorschlägen, die es seiner Meinung nach Wert sind. Seine Frage zum Scheitern von Inklusion ist nicht nur ein persönliches Empfinden von ihm, dies wird unter anderem durch die neueste Forsa-Umfrage bestätigt, wenn in dieser repräsentativen Umfrage zu Inklusion mit 2.127 Lehrerinnen und Lehrern 56 % der Befragten die gemeinsame Beschulung von Kindern mit und ohne Behinderung grundsätzlich als sinnvoll erachten, aber gerade mal 27% denken, dass dies auch in der Praxis sinnvoll ist, 69%! verneinen dies. Warum aber schafft man es auch 13 Jahre nach Verabschiedung der UN-Behindertenrechtskonvention nicht geschafft, Inklusion erfolgreich umzusetzen? Laut Thomas Höchst liegt es daran dass die Bestimmungen zum Gelingen nicht stimmen, bzw. noch nicht einmal bekannt sind. Diese Erfahrung macht er auch in seinen zahlreichen Vorträgen und Studientagen zu Inklusion an Schulen und Universitäten in ganz Deutschland, aber auch in den Ergebnissen zahlreicher aktueller Umfragen. Er erlebt in seinen vielfachen persönlichen Begegnungen fast immer eine positive Grundhaltung zu Inklusion, ebenso aber auch fast immer zahlreiche Gespräche um fehlende Gelingensbedingungen im Ressourcenbereich wie in der methodisch didaktischen Umsetzung vor Ort und der Begleitung der Schule auf ihrem inklusiven Weg. Und dies wird auch durch zahlreiche Studien belegt, die er in seinem Buch aufzeigt, übrigens bereits das 9. Buch zum Thema. Thomas Höchst verfolgte das zentrale Thema der fehlenden Analyse und Umsetzung von Gelingensbedingungen zu Inklusion seit Monaten und der Wunsch hier aktiv zu werden und diese entscheidenden Gelingensbedingungen über seine persönlichen Erfahrungen hinausgehend zu erforschen. Und hier kam ihm der Gedanke, dass dies doch am besten dort zu untersuchen ist, wo Inklusion, oft jahrelang, erfolgreich umgesetzt wird, nämlich an den dafür ausgezeichneten Gewinnerschulen des Jakob-Muth-Preises, dem größten deutschen Inklusionspreis. Dort müssen doch die Gelingensbedingungen stimmen. Wie sonst könnten diese Schulen ansonsten so erfolgreich Inklusion umsetzen. Und er überlegte, dass es doch möglich sein sollte, die Bedingungen dieser Schulen zu erforschen und zu analysieren, um dann wahrscheinlich Gemeinsamkeiten herauszukristallisieren, die für eine erfolgreiche inklusive Schulpraxis notwendig sind. Daraus entstanden das Ansinnen und der Titel seines neuen Buches. Anfangs hatte er diesen Forschungsansatz als Promotionsmöglichkeit im Auge. Alles war vorbesprochen und vorstrukturiert, als dann die Covid-Pandemie kam und seine Aufgaben als Schulleiter explodierten und nur noch wenig Freizeit ließen. Den für ihn aber hoch interessanten Ansatz die Gelingensbedingungen an der erfolgreichen inklusiven Schulpraxis zu analysieren, hat ihn aber nicht losgelassen. Deshalb hat er diesen Gedanken weiterverfolgt und drei Jahre lang Bücher, Studien und Zeitschriften analysiert, sich intensiv mit dem Leben und pädagogischen Wirken von Jakob Muth auseinandergesetzt und eine umfangreiche Befragung der Gewinnerschulen des Jakob-Muth-Preises durchgeführt. Die Ergebnisse und die Gespräche, die er führen durfte, haben für ihn eine hohe Aussagekraft und stimmen weitgehend mit seinen eigenen jahrelangen Erfahrungen überein. Sie waren dann Grundlage einer weiteren Befragung, um zu schauen, in wie fern angehende Lehrerinnen und Lehrer auf diese analysierten notwendigen Gelingensbedingungen hin vorbereitet werden. Und er ist darüber hinaus noch einen Schritt weiter gegangen. Aus seiner jahrelangen Beschäftigung mit Inklusion, den Erkenntnissen seiner aktuellen Untersuchung und den vielfachen Gesprächen mit Lehrkräften und Schulleiterinnen und Schulleiter zieht er in seinem Buch Schlüsse, wie die Lehreraus- und Fortbildung sowie die Begleitung der Schulen aussehen muss, damit die in diesem Buch erforschten Gelingensbedingungen umgesetzt werden können. Dabei geht es ihm nicht darum alles und jeden zu kritisieren und es besser zu wissen, Schuldzuweisungen aufzutun: Die Politiker, die Studienseminare, die Universität, die Lehrerinnen und Lehrer, die Schulleiterinnen und -leiter, die Schulträger …. Das kostet Zeit und führt zu unnötigen Diskussionen und Kränkungen. Was seiner Meinung nach gebraucht wird ist ein dringender Masterplan, der alle eben genannten Menschen und Gruppierungen an einen Tisch bringt mit dem Ziel: Maßnahmen festzulegen, auf die man sich (schnell) einigen muss, eine Verortung dieser Maßnahmen, wer, was, wann mit wem, Übergänge zu schaffen, u.v.m. und dies alles in der Koordination einer zuständigen Behörde / Institution zu verankern. Es geht ihm um den dringend notwendigen Blick in die Zukunft. Er möchte einen kleinen Teil dazu beitragen das Thema Inklusion, das fast vergessen ist, wieder in den Vordergrund zu rücken. Sei es gerne mit der kritischen Auseinandersetzung mit seinen Erkenntnissen und Vorschlägen, die es seiner Meinung nach Wert sind.
Thomas Höchst setzt sich auch im privaten Bereich sehr für Menschen ein, die oft am Rande der Gesellschaft stehen, Menschen mit Handicap. Hier hat er mehrere Charity-Projekte, die er unterstützt. So findet regelmäßig am UKS die Aktion „Kinderaugen sollen strahlen“ statt, bei der er mit verschiedenen Institutionen wie zum Beispiel dem Ronald MC Donald Haus, Prof. Dr. Gottschling von der Palliativ-Station oder den Blieskasteler Schutzengeln zusammenarbeitet. Hier werden 12 bis 14 Nobelkarossen organisiert mit denen die kranken Kinder einen tollen Ausflug machen können und so eine Weile ihre Schmerzen in den Hintergrund rücken. Es gibt eine Kooperation mit dem FC Homburg, bei der die 1. Mannschaft Schulen für Behinderte oder Werkstätten besucht, dies ist immer ein ganz besonderes Erlebnis für die Menschen mit Handicap. Zur Weihnachtszeit wurden in Homburg und Umgebung 2.000 Nikoläuse an Institutionen verteilt unter dem Motto „Versüßen, wenn es oftmals schwierig wird.“ So könnte man die Reihe weiter fortsetzen. Eines steht aber fest, Thomas Höchst ist ein Vorbild dafür, dass man sich für andere Menschen einsetzen sollte, die sonst vielleicht am Rande der Gesellschaft stehen bleiben müssten.
Wir finden, dies ist einmal ein großes Dankeschön wert, verbunden mit der Hoffnung, dass wirkliche und echte Inklusion kein Zukunftstraum bleiben muss. ot