Seit mehr als 30 Jahren auf Stammzelltherapie spezialisiert
KMT-Station am UKS setzt etablierte und neuartige Therapien gegen Blutkrebs, Lymphdrüsenkrebs und andere Erkrankungen ein
1991 fand am Universitätsklinikum des Saarlandes (UKS) in Homburg die erste Stammzelltransplantation statt. In den vergangenen mehr als 30 Jahren konnte die Klinik für Innere Medizin I – Onkologie, Hämatologie, Klinische Immunologie und Rheumatologie mit Zelltherapien vielen Patientinnen und Patienten helfen. Die Homburger Expertinnen und Experten nutzen nicht nur die etablierten Therapien, sondern beteiligen sich zudem aktiv daran, dass neue Behandlungsformen erforscht werden und zum Einsatz kommen.
INVICTUS – prangt in Großbuchstaben auf dem T-Shirt von Florin Boc, das er an diesem Frühlingstag im März 2023 bei seinem Besuch am Universitätsklinikum des Saarlandes trägt. Im vergangenen Jahr startete er für sein Heimatland als Bogenschütze bei den Invictus-Games im niederländischen Den Haag. Die paralympische Sportveranstaltung für kriegsversehrte und erkrankte Soldatinnen und Soldaten geht auf eine Idee von Prinz Harry, Duke of Sussex, zurück. Durch die Kraft des Sports soll die Genesung und Rehabilitation der Teilnehmenden unterstützt werden. „Invictus“ bedeutet auf Deutsch „unbesiegt“. Für Boc steht der Begriff für die Überwindung seiner Erkrankung. Denn 2011 diagnostizierte man bei ihm Leukämie, ein großer Schock für ihn, seine Familie und sein gesamtes Umfeld. Der aus Rumänien stammende Soldat suchte Hilfe am UKS und kam schließlich zur Behandlung nach Homburg. In der Klinik für Innere Medizin I, die heute unter kommissarischer Leitung von Klinikdirektor Prof. Dr. Lorenz Thurner steht, erhielt er eine Stammzelltransplantation. „Ich habe um mein Leben gekämpft“, erzählt Florin Boc heute, zwölf Jahre später.
So wie Boc ergeht es pro Jahr rund 120 Patientinnen und Patienten, die am UKS auf der KMT-Station behandelt werden. „Das Kürzel KMT steht dabei für Knochenmarktransplantation, ein Therapieverfahren, das in erster Linie bei Leukämien (umgangssprachlich: Blutkrebs) und Lymphomen (umgangssprachlich: Lymphdrüsenkrebs) zum Einsatz kommt“, erklärt Oberarzt und Leiter der KMT-Station Dr. Konstantinos Christofyllakis. Dabei erhalten die Patientinnen und Patienten Blutstammzellen, die sich vor allem im Knochenmark finden und von welchen die gesamte Zellneubildung des Blutes und des Abwehrsystems ausgeht. Es können sowohl eigene als auch fremde Blutstammzellen transplantiert werden. Die Gabe der zuvor entnommenen eigenen Zellen wird als autologe Transplantation bezeichnet. Eine weitere Form ist die sogenannte allogene Transplantation, bei der die Erkrankten Knochenmark oder Blutstammzellen einer Spenderin bzw. eines Spenders erhalten. „Dazu müssen allerdings spezifische Gewebemerkmale, die HLA-Merkmale, übereinstimmen“, so Dr. Christofyllakis. Oft ist das bei Geschwistern der Fall, aber in der Mehrzahl der Fälle gibt es niemanden im engeren Umfeld, der für eine Spende in Frage kommt. Dann muss in Datenbanken nach jemandem gesucht werden, die bzw. der sich als Spenderin oder Spender bereit erklärt hat und möglichst ähnliche HLA-Merkmale aufweist. „Diese Suche gelingt heutzutage in etwa vier von fünf Fällen. Damit das so bleibt oder die Quote sogar noch besser werden kann, müssen sich Menschen weiterhin als Spenderin oder Spender registrieren lassen“, sagt Dr. Christofyllakis. Die notwendige Typisierung und Registrierung ist beispielsweise über die Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS) möglich. Oder man geht zu einer der Typisierungsaktionen in der Nähe, wie sie oftmals von Familie und Umfeld von Erkrankten auf den Weg gebracht werden.
Mit neuen Zelltherapie-Angeboten, stetigem Wissensaustausch und Forschung zu noch besserer Behandlung
Seit mehr als 30 Jahren ist die UKS-Fachklinik auf Knochenmarktransplantationen spezialisiert, doch das Spektrum erweitert sich kontinuierlich. „Als Universitätsklinikum stehen wir für den stetigen Fortschritt in der Medizin: Wir forschen an neuen Ansätzen und setzen neue Erkenntnisse sowie moderne Therapiemethoden möglichst schnell um“, erläutert Prof. Dr. Thurner. So kommen in Homburg neben der Knochenmarktransplantation weitere Formen der Zelltherapie zum Einsatz. Seit vergangenem Jahr beispielsweise die CAR-T-Zell-Therapie, eine neuartige Behandlungsoption bei Lymphdrüsenkrebs und akuter lymphatischer Leukämie. Den Betroffenen wird eine bestimmte Unterart von eigenen Immunzellen entnommen und gentechnisch so umprogrammiert, dass sie gezielt die Lymphom- bzw. Leukämie-Zellen angreifen können. Solche immuntherapeutischen Ansätze werden mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in den nächsten Jahren zu weiteren großen Fortschritten in der Krebstherapie führen.
Um Patientinnen und Patienten eine bestmögliche Behandlung zukommen zu lassen, legt die Klinik für Innere Medizin I einen hohen Wert auf den Austausch. So vernetzt man sich beispielsweise eng mit anderen Kliniken am UKS. Campusintern ist dies vor allem über das Universitäre Tumorzentrum UTS gegeben, welches die bislang neun integrierten Organkrebszentren am Universitätsklinikum verbindet. „Für alle unsere Patientinnen und Patienten führen wir fächerübergreifende Fallbesprechungen. Durch die Integration von Sozialdienst, Selbsthilfegruppen oder auch Palliativmedizin kümmern wir uns um mehr als nur die medizinischen Aspekte von Erkrankungen“, beschreibt Prof. Dr. Thurner die Vorteile des UTS. Doch auch nach außen hin vernetzt sich die onkologische Fachklinik des UKS. Erst vor wenigen Wochen wurde die Zelltherapie-Konferenz ins Leben gerufen. „Zusammen mit anderen Kolleginnen und Kollegen aus dem Saarland, der angrenzenden Pfalz, aus dem Raum Trier und aus Luxemburg besprechen wir Fälle. Dabei können wir unsere Expertise als Universitätsmedizin einbringen“, so Prof. Dr. Thurner. Bei internationalen Fachkongressen fehlt die Beteiligung aus Homburg ebenso wenig.
Ein weiterer Aspekt ist die Forschung. Ganz aktuell ist u.a. eine von der DKMS gestartete Studie, an der das UKS neben anderen Spitzenforschungszentren beteiligt ist. Bei diesem Projekt geht es darum, die Empfänger-gegen-Wirt-Krankheit, englisch: Graft-versus-Host-Disease (GvHD), zu verhindern. Diese Immunreaktion tritt sehr häufig nach einer Stammzelltransplantation auf, in Folge kann es zu Hautausschlägen, Bauchschmerzen, Müdigkeit oder Schäden an den Schleimhäuten des Magen-Darm-Trakts bzw. im schlimmsten Fall sogar zu einem tödlichen Verlauf kommen. Die Studie vergleicht die Wirksamkeit zweier Medikamente, die bereits seit vielen Jahren in der Hämatologie eingesetzt werden. Die Erkenntnisse aus der Studie könnten in Zukunft dazu beitragen, dass die GvHD noch gezielter mit Medikamenten verhindert werden könnte – ein wichtiger und vielversprechender Ansatz für alle Knochenmarktransplantations-Patientinnen und -Patienten.
Ein außergewöhnliches Geschenk für das Team der KMT-Station am UKS
Florin Boc hat seinen Kampf gegen die Leukämie gewonnen. „Die Klinik hat mein Leben gerettet“, sagt er rückblickend. Dass er die Erkrankung überwinden konnte, das habe er den Expertinnen und Experten am Universitätsklinikum und besonders dem Team der KMT-Station zu verdanken. Daher war es ihm ein großes Anliegen, diesen Dank wieder mit einem ganz besonderen Geschenk zu zeigen, das eng mit seiner Lebensgeschichte verknüpft ist: Sein Original-Trikot der Invictus-Games aus dem letzten Jahr, mit einer ganz persönlichen Widmung an die onkologische Fachklinik des UKS. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter freuen sich sehr über sein Geschenk. Aber noch mehr freuen sie sich darüber, dass sich ihr ehemaliger Patient zurück ins Leben gekämpft hat und „unbesiegt“ geblieben ist.
2023 wird Florin Boc wieder bei den Invictus-Games als Bogenschütze an den Start gehen. Dieses Mal in Düsseldorf und als Kapitän der rumänischen Mannschaft. Sein Beispiel und seine Geschichte werden vielleicht anderen Betroffenen Mut machen. © UKS