Der Rechtsexperte informiert (Dr. Kai Hüther)
Telearbeit, mobile Arbeit und Homeoffice
Aktuell explodierende Spritpreise und ein gesellschaftlicher Beitrag zum Umweltschutz sprechen unabhängig von der Pandemielage weiterhin dafür, die Arbeitswege zu reduzieren. In den letzten Jahren hat sich die Arbeit außerhalb des Betriebs etabliert und soll auch nach dem Willen vieler Arbeitgeber und Arbeitnehmer trotz zwischenzeitlich wieder aufgehobener „Homeofficepflicht“ weitergeführt werden. Ein kurzer Überblick über die möglichen Arbeitsformen und was bei deren Durchführung zu beachten ist.
Zunächst zu den Begrifflichkeiten: „Homeoffice“ ist lediglich ein umgangssprachlicher Begriff, der häufig für beide im Folgenden beschriebenen Arbeitsformen genutzt wird.
Die „Telearbeit“ findet ausschließlich von zu Hause aus statt, sodass der Arbeitnehmer keinen Arbeitsplatz mehr im Betrieb hat. Dabei richtet der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter unter Übernahme der Kosten einen Arbeitsplatz zu Hause ein. Hat der Mitarbeiter daneben noch einen Arbeitsplatz im Betrieb und arbeitet abwechselnd von dort und von zu Hause aus, so spricht man von „alternierender Telearbeit“. Dieses Modell basiert meist auf dem Wunsch des Arbeitgebers, weniger Arbeitsplätze vor Ort im Unternehmen einrichten zu müssen. Dieser Effekt kann im Wege des sogenannten „Desk-Sharing“, bei dem sich Mitarbeiter einen Arbeitsplatz vor Ort durch versetzte Arbeitszeiten teilen, noch verstärkt werden.
Andererseits gibt es die „mobile Arbeit“. Der Mitarbeiter erbringt dabei seine Arbeitsleistung mittels eines mobilen Endgeräts (Smartphone, Tablet, Laptop) von unterwegs, z. B. von einem Kunden aus, auf Reisen oder dem Ort seiner Wahl aus. Der Mitarbeiter darf also seinen Arbeitsort autonom bestimmen.
Die Vorteile der Mitarbeiter bei Telearbeit und mobiler Arbeit liegen auf der Hand: Die Arbeitnehmer sparen Spritkosten und können je nach Arbeitsweg erhebliche Fahrtzeiten einsparen. Zudem gewinnen die Mitarbeiter an erheblicher Flexibilität, was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördert.
Andererseits haben Telearbeit und mobiles Arbeiten auch Nachteile, wie etwa das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in einer neueren Entscheidung ausführt (Aktenzeichen):
„Die Umstände einer ausschließlich in der eigenen Wohnung zu verrichtenden Arbeit sind mit einer Tätigkeit, die in einer Betriebsstätte zusammen mit weiteren Mitarbeitern des Arbeitgebers auszuüben ist, nicht zu vergleichen. Der Arbeitnehmer verliert den unmittelbaren Kontakt zu seinen Kollegen und die Möglichkeit, sich mit ihnen auszutauschen, wird deutlich verringert. Auch werden die Grenzen von Arbeit und Freizeit fließend. Der Arbeitnehmer ist für die betriebliche Interessenvertretung und die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften schwerer erreichbar."
Daraus lässt sich ableiten, dass eine Mischung zwischen Telearbeit bzw. mobiler Arbeit und der Arbeit im Betrieb in den meisten Fällen das Mittel der Wahl ist. Dennoch gibt es bisher keine gesetzlichen Regelungen zur Durchführung einer (teilweisen) mobilen Arbeitsform.
Die bis zum 19.03.2022 geltende Homeofficepflicht gemäß §28b Abs. 4 des Infektionsschutzgesetzes - welche Arbeitgeber dazu verpflichtet, den Beschäftigten im Falle von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten Homeoffice zu ermöglichen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen - war von Anfang an befristet und ist zum 19.03.2022 ausgelaufen. Aufgrund fehlender gesetzlicher Regelung ist der Arbeitgeber nicht berechtigt, den Arbeitnehmer anzuweisen, von zu Hause aus zu arbeiten. Er kann zwar grundsätzlich über Inhalt, Ort und Zeit der zu erbringenden Arbeitsleistung im Rahmen seines Weisungsrechts nach § 106 GewO bestimmen. Eine einseitige Anordnung von Homeoffice geht laut Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg jedoch über sein Weisungsrecht hinaus.
Umgekehrt hat ein Arbeitnehmer grundsätzlich auch keinen Anspruch darauf, (temporär) im Homeoffice tätig zu sein. Soweit es nicht abweichende arbeitsvertragliche und betriebsverfassungsrechtliche Vereinbarungen gibt, müssen sie im Betrieb erscheinen. Sie können dabei etwa nicht einwenden, das Risiko einer Corona-Infektion berechtige ihn dazu, nicht am betrieblichen Arbeitsplatz zu erscheinen und stattdessen von zu Hause aus zu arbeiten.
Insbesondere bei gut qualifizierten Fachkräften besteht für den Arbeitgeber jedoch mittlerweile ein faktischer Zwang, zumindest zum Teil mobiles Arbeiten anzubieten, um diese Mitarbeiter für sich zu gewinnen und halten zu können. Die durch mobile Arbeit gewonnene individuelle Flexibilität kann und sollte jedoch durch entsprechende flexible Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer konkret ausgestaltet werden. Die Mitarbeiter ohne schriftliche vertragliche Regelung mobil arbeiten zu lassen, ist nicht empfehlenswert. Es könnte die Gefahr bestehen, dass der Mitarbeiter nach einiger Zeit einen „Daueranspruch“ auf mobiles Arbeiten hat und es für den Arbeitgeber schwierig wird, den Arbeitnehmer einseitig in den Betrieb zurückzuholen.
Je nach Tätigkeit sollten im Arbeitsvertrag aus organisatorischen Gründen Ergänzungen über die Anzahl der Home-Office-Tage pro Woche und die konkreten Wochentage vorgenommen werden. Ebenso empfiehlt es sich Dienstbeginn und –ende festzulegen und eine klare Regelung zur Dokumentation der geleisteten Arbeitsstunden einzuführen. Dabei sind die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes auch auf die Arbeitszeiten im Homeoffice anzuwenden. Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz durch Arbeitnehmer, z.B. Überschreitung der gesetzlichen Arbeitszeitgrenzen, Nichteinhaltung der Ruhepausen, Verletzung der Mindestruhezeit, Verstoß gegen Sonn- und Feiertagsbeschäftigung etc., können als Ordnungswidrigkeiten für den Arbeitgeber zu entsprechenden Geldbußen führen. Auch dann, wenn der Arbeitgeber lediglich fahrlässig handelt, weil er keine ausreichenden Vorkehrungen dafür trifft, dass die Maßgaben des Arbeitszeitgesetztes durch seine Mitarbeiter eingehalten werden, drohen Bußgelder.
Der Arbeitgeber ist auch weiterhin für Datenschutz und Datensicherheit verantwortlich. Die Mitarbeiter müssen daher genaue Anweisungen dazu erhalten, wie sie sich im Hinblick auf Datenschutz und Datensicherheit zu verhalten haben. Daneben sind auch Arbeitsschutzgesichtspunkte während mobiler Arbeit zu berücksichtigen. Die Bestimmungen des Arbeitsschutzgesetzes gelten auch für Arbeitsplätze im Homeoffice. Es wird in diesem Zusammenhang diskutiert, ob der Arbeitgeber ein Recht auf Zutritt zur Wohnung des Mitarbeiters haben soll, um die Maßgaben dieses Gesetzes zu überprüfen und die notwendige Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Ob dazu sogar eine Begehung des häuslichen Arbeitsplatzes erforderlich ist oder ob diese durch Nachfragen ersetzt werden kann, ist umstritten und höchstrichterlich bisher noch nicht entschieden. Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Arbeitgeber Zutritt zum Homeoffice zu gewähren, lässt sich nach hiesiger Auffassung nicht wirksam vertraglich vereinbaren. Alternativ könnte ein Arbeitgeber die erforderlichen Auskünfte mittels eines Fragebogens ermitteln und sich gegebenenfalls auch Fotos vom Arbeitsplatz übermitteln lassen.
Fazit
Es sprechen viele gute Gründe für das mobile Arbeiten. Die - zumindest teilweise - Erbringung der Arbeitsleistung von zuhause aus wird der Arbeitswelt wohl in vielen Bereichen auch ohne gesetzlichen Zwang dauerhaft erhalten bleiben. Aufgrund fehlender gesetzlicher Regelungen sollten Arbeitgeber, wenn sie weiterhin mobiles Arbeiten anbieten wollen, vertragliche Regelungen treffen.
Der Verfasser Herr Dr. Kai Hüther ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei rapräger Rechtsanwälte. Weitere Infos erhalten Sie im Internet unter www.rapraeger.de oder in 66117 Saarbrücken in der Stengelstraße 7/Garelly Haus. Telefonisch erreichen Sie die Kanzlei der Tel. 0681-3064140.