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Tipp vom Rechtsexperten

Vater hat keine Patientenverfügung! – unter welchen Bedingungen könnte ein Beatmungsgerät/eine Magensonde abgeschaltet werd

Obwohl die Notwendigkeit einer rechtlich einwandfrei formulierten Patientenverfügung fast täglich in Presse, Fernsehen und Radio angesprochen wird, verfügen die meisten Menschen leider immer noch nicht über eine Patientenverfügung die nach neuesten medizinischen Erkenntnissen erstellt wurde. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die inhaltlichen Anforderungen an ein solches wichtiges Dokument, welches Maßnahmen am Lebensende regelt, klar vorgegeben.

In einer Patientenverfügung bestimmen Sie selbst in gesunden Tagen, in welche ärztliche Maßnahmen, Behandlungen und Eingriffe Sie in einem Zustand späterer Entscheidungsunfähigkeit einwilligen möchten bzw. diese untersagen.
 
Die einzelnen Regelungssituationen (unmittelbar bevorstehender Todeseintritt, tödlich verlaufende Krankheit, mangelnde Nahrungs-/Flüssigkeitsaufnahme bei Demenz, sog. Wachkoma-Fall) müssen in einer Patientenverfügung so genau als möglich und individuell auf Ihre persönliche Situation formuliert werden.
In dieser Hinsicht sollten keine Vordrucke oder Formulare (z.B. aus dem Internet) verwendet werden, die zum einem oft nicht richtig verstanden werden bzw. zum anderen als allgemeine Formulierungen vielfach nicht konkret und typisch gerade für Sie als Einzelfall zutreffen.
Daher sollten diese Formulierungen mit einer Vorsorgeanwältin/einem Vorsorgeanwalt (www.vorsorgevollmacht-anwalt.de) genauestens besprochen werden, ob diese gerade für Sie passend sind.
 
Auch ist es notwendig, dass in der Patientenverfügung die Personen genannt werden, die als Vorsorgebevollmächtigte in einer General-Vorsorgevollmacht von Ihnen bestimmt werden.
Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung müssen also aufeinander abgestimmt werden.
Es darf sich also nicht um verschiedene Personen handeln, die in diesen Dokumenten abweichend benannt werden.
 
Wenn nämlich kein Vorsorgebevollmächtigter benannt ist, muss die Ärztin/der Arzt im Krankenhaus vor Einleitung der Maßnahmen gem. der Patientenverfügung die Krankenakte zum Betreuungsgericht versenden, damit zur Durchführung der Maßnahme ein Betreuer benannt wird.
Ggf. also eine Person, die Ihnen gar nicht bekannt ist.
 
Was passiert aber, wenn überhaupt keine Patientenverfügung vorliegt?
 
Folgender Fall:
 
Der verwitwete Vater wird nach einem sehr schweren Schlaganfall bewusstlos in die Intensivstation einer Universitäts-Klinik eingeliefert.
Es werden daraufhin in der Abteilung Neurologie schwerste Hirnschädigungen festgestellt.
Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte prognostizieren, dass der Vater wahrscheinlich nie mehr „wach werden wird“ bzw. ein Schwerstpflegefall sein wird, ohne dass noch merkliche Reaktionen von ihm ausgehen werden.
Der Vater wird künstlich beatmet.
Die Ärzteschaft bespricht mit den drei Kindern die kritische und besorgniserregende Situation des Vaters.
Es wird festgehalten, dass sich keine Patientenverfügung in der Krankenakte befindet.
Dieses wurde von dem Vater versäumt, obwohl mit den Kindern darüber gesprochen wurde.
 
Nun muss die Ärzteschaft betreffend eine eventuelle Abschaltung des Beatmungsgerätes im Hinblick auf ein bevorstehendes Ableben des Vaters bzw. die Feststellung einer sog. „infausten Prognose“ (tödlich verlaufende Krankheit, oftmals bei Krebserkrankung) den „mutmaßlichen Willen“ des Vaters ermitteln.
Mangels Patientenverfügung eben durch Befragung der drei anwesenden Kinder.
 
Kind 1 äußert:
Der Vater wollte niemals, dass eine Maschine abgestellt wird, er wollte immer, dass er bis zum Schluss behandelt wird, egal wie es ihm geht.
Kind 2 äußert:
Der Vater habe aber gesagt, dass bei einer schweren Gehirnschädigung mit nicht mehr vorhandener Kommunikation mit anderen Menschen dann aber doch keine Beatmung bzw. eine künstliche Ernährung mehr durchgeführt werden soll.
Kind 3 äußert:
Der Vater habe sich nach seinem Wissen weder eindeutig „in die eine noch in die andere Richtung“ konkret und zweifelsfrei geäußert – jedenfalls könne es sich nicht mehr genau daran erinnern!
 
Ergebnis:
1. Mangels auch sonstiger schriftlicher Aufzeichnungen kann aufgrund der Anhörung der Kinder kein eindeutiges Ergebnis auf einen geäußerten bzw. angedeuteten „mutmaßlichen Willen“ ärztlicherseits konkret festgehalten bzw. dokumentiert werden.
2. Die Ärzte versenden die Krankenakte mit dem Ergebnis der Anhörung der Kinder an das Betreuungsgericht mit der Anregung, es möge von dort betreffend der Entscheidung, ob lebenserhaltende Maßnahmen weitergeführt werden oder eben nicht, ein Betreuer bestellt werden, der dann für diese schwerwiegende Entscheidung mitsamt dem Betreuungsgericht entscheidungsbefugt wird.
Ggf. also eine völlig fremde Person, die den Vater nie gekannt hat!
 
Des Weiteren kommen die drei Kinder in Streit, weil sie verschiedener Auffassung sind, „was der schwerkranke Vater in dieser Situation bestimmt hätte“. Ein Streit, der oftmals lebenslang nicht mehr beigelegt werden kann und sich häufig auch noch auf die Kinder fortsetzt!
 
Diese Schilderung ist keineswegs ein Einzelfall – es ist auch in solchen Situationen für einen Ehegatten, die Kinder oder sonstige Nähe–Personen in äußerstem Maße schwierig, zweifelsfrei den „mutmaßlichen Willen“ eines Ehegatten/Elternteils eindeutig darzulegen.
Meistens hat man doch nicht so genau und bestimmt über eine solche wichtige Entscheidung gesprochen, wie man es vielleicht meint.
 
Fazit.
Entlasten Sie sich selber und auch Ihre nächsten Angehörigen.
Vermeiden Sie solche Konfliktsituationen innerhalb der Familie, wie gerade geschildert.
 
Eine Patientenverfügung gefertigt von einer Fachanwältin für Erbrecht/Fachanwalt für Erbrecht, einer Vorsorgeanwältin/einem Vorsorgeanwalt, berücksichtigt Ihre Wünsche und Interessen in diesen schwerwiegenden Entscheidungen am Lebensende und entlastet Ihre Angehörigen!
 
Übrigens:
Auch wenn Sie bestimmen möchten, dass am Lebensende keine Behandlungen abgebrochen werden sollen, sollten Sie dies in einer Patientenverfügung mit genauen Umständen regeln!
Auch hier entscheidet Ihr Wille – der bei nicht mehr vorliegender Entscheidungsfähigkeit eben ganz präzise aus der Patientenverfügung hervorgeht und dann von dem Vorsorgebevollmächtigten gem. der Vorsorgevollmacht auch vollzogen wird.
 
Ein Wort zum Schluss:
Die „beste Vorsorgevollmacht/Patientenverfügung ist die, die man ggf. (hoffentlich) nie braucht!“.
Wenn Sie aber im Stadium einer schweren Krankheit nicht mehr alleine entscheiden können, sind für Sie von Ihnen vertraute Personen – und nur diese! – berufen, Ihren Willen zu vollziehen.

 

Weitere interessante Informationen über die Kanzlei Rechtsanwältin Monika Fries & Rechtsanwalt Klaus Herrmann, Ihre Fachanwaltskanzlei für Erbrecht, Vermögensnachfolge sowie Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung: Schlossbergstraße 2, 66440 Blieskastel, Telefon 06842-2523 oder 06842-53022, E-Mail: kanzlei@fries-herrmann.de. Infos auch online unter: fries-herrmann.de. RA Klaus Herrmann

Schenk, Silvia
10. Mär 2023

Serie: Tipp vom Rechtsexperten
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