Tipp vom Rechtsexperten
Die ominösen „Zehn-Jahres-Fristen“ im Erbrecht!?
Was häufig ohne anwaltliche Beratung übersehen bzw. falsch verstanden wird!
Anlässlich unserer anwaltlichen Beratungstätigkeit im Erbrecht/im Recht der Vermögensübergabe/im Schenkungs-/Erbschaftsteuerrecht wird oftmals von den Mandantinnen/Mandanten selbst nach der „Zehn-Jahres-Frist“ angefragt!
Diese „Zehn-Jahres-Frist“ hat in der Tat betreffend erbrechtlicher und schenkungssteuerrechtlicher/erbschaftsteuerrechtlicher Fragen eine ganz eminente Bedeutung!
Und zwar in dreifacher Hinsicht!
1. Recht der sog. Pflichtteilsergänzung
Bekanntlich haben bei einer testamentarischen Enterbung der Ehegatte, die Kinder (bzw. auch Enkelkinder, wenn Kinder vor der Erblasserin/dem Erblasser verstorben sind!) und ggf. auch Eltern (wenn Kinder ohne eigene Abkömmlinge versterben) Pflichtteilsansprüche.
(Achtung!: Aber nie Geschwister bzw. Neffen und Nichten!).
Der Pflichtteilsanspruch (beläuft sich wertmäßig auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils) ist ein reiner Geldanspruch, der auf das Erblasser-Vermögen an dessen Sterbetag (= Stichtag) bezogen ist.
Jetzt denken viele künftige Erblasser – ganz gewitzt! – daran, deshalb bereits lebzeitig möglichst viel Vermögen – meist an die testamentarisch eingesetzten Erben! – zu verschenken, damit sich das Vermögen am künftigen Sterbetag eben möglichst niedrig – oder gar auf 0 – beläuft!
Und somit der sich auf diesen Stichtag beziehende Pflichtteilsanspruch erheblich minimiert oder – im besten Falle – gar gänzlich „ausgeschaltet“ wird!
Wenn auch dieser Gedanke im Ansatz durchaus zu bedenken ist, muss bei einer solchen Gestaltung unbedingt fachanwaltlicher Rat eingeholt werden.
Denn der Gesetzgeber ordnet im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) an, dass bei einer erblasserseitigen Schenkung der Pflichtteilsberechtigte als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen kann, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem späteren Nachlass am Todestag hinzugerechnet wird!
Jetzt kommt gesetzlich aber die Zehn-Jahres-Frist ins Spiel:
„Sind 10 Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes verstrichen, bleibt die Schenkung unberücksichtigt“.
Zusätzlich hat der Gesetzgeber vor einigen Jahren noch die sog. „Abschmelzungsregelung“ eingeführt, die lautet:
Die Schenkung innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall wird in vollem Umfange, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils 1/10 weniger berücksichtigt.
Was demgemäß also bedeutet, dass auch bei Nichterreichen der Zehn-Jahres-Frist der spätere Pflichtteilsberechtigte nicht mehr den vollen Wert der Schenkung bei der Berechnung seines Pflichtteilsanspruchs ansetzen darf!
Nach Verstreichen von 10 Jahren ist aber endgültig die Schenkung nicht mehr für den Pflichtteilsberechtigten relevant!
Um aber das Risiko, dass die Zehn-Jahres-Frist im Todesfall noch nicht abgelaufen ist, zu vermeiden, sollte unbedingt bei einer ins Auge gefassten lebzeitigen Übergabe (zur Minimierung/Vermeidung des Pflichtteilsrechtes) fachanwaltliche Beratung in Anspruch genommen werden!
Eben mit dem Ziel, möglichst überhaupt eine Schenkung zu vermeiden oder ganz wesentlich zu minimieren:
Indem - betreffend des Objektes der lebzeitigen Übergabe – ganz überwiegend handelt es sich dabei entweder um die Wohnhaus-Immobilie oder ein Mietobjekt – der Übernehmerin/dem Übernehmer (vielfach ein Kind) folgende Gegenleistungen auferlegt werden, die naturgemäß auch einen jeweils zu berechnenden Gegenleistungswert aufweisen, als da – beispielsweise – wären:
• Vorbehalt eines lebenslangen, unentgeltlichen, ins Grundbuch einzutragenden
Wohnungsrechtes (sog. persönliche Dienstbarkeit) oder eines Nießbrauchsrechtes
(nicht nur persönlich Nutzung, sondern auch Nutznießung, z.B. durch Vermietung)
• Verpflichtung zur Wart und Pflege gegenüber der übergebenden Person (Art und
Umfang je nach konkretem Einzelfall)
• Übernahme etwaiger (durch Grundschuld auf dem Haus lastenden) Verbindlichkeiten
• Übernahme baulicher Maßnahmen bzw. Anerkennung bereits vorherig durch
Übernehmer getätigter Renovierungs-/Modernisierungs- Maßnahmen.
• Vorbehalt von „Rückholrechten“ für Wechselfälle des Lebens (Tod, Verschuldung,
Insolvenz, Scheidung, grober Undank des Kindes).
Dann gelingt es vielfach mit fachanwaltlicher Hilfe, dass die Schenkungsproblematik erst gar nicht aufkommt!
2. Sozialleistungsregress
Vielfach werden Immobilien lebzeitig auch deswegen (i.d.R. an die nächste Generation) übergeben, damit bei späterem (nie auszuschließendem!) Heimaufenthalt die Immobilie nicht für die (immer weiter steigenden!) Heimkosten aufgeopfert (= regelmäßig Verkauf) werden muss.
Dies geschieht regelmäßig, wenn bei einem Heimaufenthalt der Anteil der nicht gedeckten Kosten (vielfach heute fast schon die Regel!) von einem Sozialleistungsträger aufgewendet werden muss.
Dann kann der Sozialleistungsträger eine Schenkung wertmäßig an sich zurückfordern, wenn seit der Bedürftigkeit (also Zeitpunkt, ab welchem Sozialleistungen zur Kostendeckung notwendig werden), keine 10 Jahre vergangen sind (= sog. Sozialleistungsregress).
Sind – umgekehrt gewendet – seit dem Eintritt der Bedürftigkeit (= Kosten im Heim nicht gedeckt) also 10 Jahre „ins Land gegangen“, kann diese Überleitung durch den Sozialleistungsträger nicht mehr erfolgen (= Sozialleistungsfestigkeit der Schenkung).
Aber auch hier sollte es möglichst erst gar nicht zu einer Schenkung bzw. Teilschenkung kommen, wenn eben – wie unter Ziff. 1 dargestellt – entsprechende Gegenleistungen wertmäßig berechnet und formuliert werden.
3. Dekaden-Transfer im Schenkungssteuerrecht
Vielfach ist die Motivation für lebzeitige Schenkungen auch, dass die Erblasser künftige Erbschaftsteuer für ihre späteren Erben einsparen bzw. minimieren möchten.
Nach jetziger Gesetzeslage können die Schenkungsfreibeträge, die grundsätzlich mit den Erbschaftsteuerfreibeträgen identisch sind, alle 10 Jahre ausgenutzt werden.
Dies ist also die „dritte Variante“ der Zehn-Jahres-Frist im Erbrecht bzw. – hier – Erbschaftsteuerrecht/Schenkungssteuerrecht!
Momentan betragen die Erbschaftsteuerfreibeträge:
• 500.000 € für den Ehegatten (zusätzlich noch ggf. steuerfreies Wohnheimprivileg)
• 400.000 € für jedes Kind nach jedem Elternteil
• 200.000 € für jedes Enkelkind nach jedem Großelternteil
Freilich betragen die Erbschaftsteuerfreibeträge für nicht verheiratete Lebensgefährten und für Geschwister und deren Abkömmlinge (also Neffen u. Nichten) lediglich 20.000 €!
Bei diesen Gestaltungen betreffend lebzeitiger Übertragungen, namentlich aber auch bei der Errichtung von Testamenten jedweder Art unter Einbezug einer Erbschaftsteuer-Optimierung, muss unbedingt fachanwaltlicher Rat einer Fachanwältin/eines Fachanwalts für Erbrecht eingeholt werden.
So viel im Überblick zur „Enträtselung“ der ominösen Zehn-Jahres-Fristen!
Weitere interessante Informationen über die Kanzlei Rechtsanwältin Monika Fries & Rechtsanwalt Klaus Herrmann, Ihre Fachanwaltskanzlei für Erbrecht, Vermögensnachfolge sowie Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung: Schlossbergstraße 2, 66440 Blieskastel, Telefon 06842-2523 oder 06842-53022, E-Mail: kanzlei@fries-herrmann.de. Infos auch online unter: fries-herrmann.de. RA Klaus Herrmann