Die Moderne an der Saar und Blies
Die französischen Stadtplanungen in Saarbrücken und Neunkirchen 1945-1949
Seit dem Jahr 1945 verfolgte das französische Besatzungsregime im Saarland den Plan, durch eine Equipe des urbanistes das stark kriegszerstörte Saarbrücken nach radikal neuen Gesichtspunkten zu „rekonstruieren“. Im Zuge eines Plan régional wurden auch Saarlouis und Neunkirchen in die Planungen einbezogen. Es ging nicht um Wiederaufbau, von dem auf deutscher Seite stets gesprochen wurde. Vielmehr sollten unter der Leitung des Stadtplaners und Architekten George-Henri Pingusson die Stadtgrundrisse rationalistischen Prinzipien angepasst und, bis auf einige Traditionsinseln, die Stadtlandschaften nach funktionalistischen Prinzipien neu erstellt werden. Saarbrücken wäre in ein Labor der Moderne verwandelt worden - mit segregierten Räumen der Wirtschaft, des Verkehrs und des Wohnens. Das ‚neue‘ Saarbrücken sollte ein Musterbeispiel französischer Planungskunst darstellen und zukunftsoffen als Hauptstadt einer europäisierten Saar fungieren. Das regenerierte Kohle- und Stahlrevier an der Saar hätte zugleich zu den wirtschaftlichen Ressourcen Frankreichs beigetragen und durch das „Genie des Städtebaus“ wären die „noch vorhandenen Spuren des preußischen Geistes“ getilgt worden, wie der Gouverneur an der Saar Gilbert Grandval hoffte. Für Neunkirchen war geplant, das Eisenwerk weiter zu betreiben, was für die Bevölkerung lebenswichtig war, aber die bisherige Bebauung aufzugeben und einen Großteil des Stadtgebiets wie in Saarbrücken in Form von Wohnhochhäusern neu zu besiedeln. Es ist klar, dass dieses Vorhaben an finanziellen und materiellen Schwierigkeiten sowie am Widerstand der einheimischen Bürger und Architekten sowie an der Verwaltung des Saarstaates scheitern musste. Man war der Zeit weit voraus. Genau dies macht die Planungen interessant. Die Moderne an der Saar und der Blies kam in der geplanten Form nicht zustande, aber stellt aus heutiger Sicht ein herausragendes städtebauliches Experiment der Nachkriegszeit dar.
Auf Einladung des Wellesweiler Arbeitskreis für Geschichte, Landeskunde und Volkskultur spricht Prof. Dr. Clemens Zimmermann am 18. 05.2022 in der Stengel-Kirche in Wellesweiler.
Beginn des Vortragesist 19.00 Uhr. Von Nichtmitgliedern wird ein Eintritt von 5 EURO erbeten. Infos über den Wellesweiler Arbeitskreis für Geschichte, Landeskunde und Volkskultur e.V. erhalten Sie im Internet unter wak-geschichte.de. Hans Günther Sachs