Die beiden Neunkircher Schlösser Teil 2
Ihre Umgebung und die Bewohner Ein Bericht von Armin Schlicker und Horst Schwenk
Das Barockschloss Jägersberg (erbaut 1753 – 1765)
Fast 200 Jahre nach Baubeginn an dem Renaissanceschloss hielt der nun regierende Fürst Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken (1741 – 1768) das alte Schloss nicht mehr für repräsentativ genug und beauftragte seinen Baumeister Friedrich Joachim Stengel ein den gewachsenen Ansprüchen gemäßes Schloss in der Nähe des alten zu bauen.
Neunkirchen war in der ersten Hälfte des 18. Jh. ein Dorf um die im Jahre 1727 noch einmal neu erbaute Kirche mit angrenzendem Kirchhof an der Ecke des heutigen Oberen Marktes/Heizengasse. Es war damals ein Bauerndorf mit etwa 60 Bauern, die Haus und Hof und neben den üblichen Haustieren meist 2 – 4 Pferde oder Ochsen als Zug- und Arbeitstiere besaßen. Sie waren Gemeindsleute, die alleine das Stimmrecht hatten, sofern in der Gemeinde überhaupt etwas mit zu bestimmen war. Daneben gab es noch, wie man aus einer Gemeinderechnung des Jahres 1785 entnehmen kann, rund 40 Hintersassen und Tagelöhner. Als solche galten alle Untertanen, die kein eigenes Haus besaßen und weniger als 2 Gulden Steuern bezahlten, aber auch die verheirateten, aber noch ohne eigenen Hausstand bei den Eltern wohnenden Söhne galten als Hintersassen. Außerdem waren 1785 noch 11 sogenannte Schutzjuden in Neunkirchen ansässig denen die Herrschaft per Schutzbrief unter besonderen Auflagen das Wohnrecht in der Gemeinde erlaubt hatte. Insgesamt hatte das Dorf schätzungsweise 900 Einwohner einschließlich der Haushalte auf den fürstlichen Besitzungen, insbesondere der Haushaltungen der Arbeiter auf dem Eisenwerk. Man lebte hauptsächlich von dem, was die heimische Scholle hergab, natürlich bei entsprechender Vorratshaltung. Was sonst noch gebraucht wurde, das besorgten fahrende Händler oder wurde auf den von Fürst Wilhelm Heinrich bewilligten Jahrmärkten besorgt, die auf dem Oberen Markt stattfanden. Die Märkte fanden am 3. Donnerstag im Mai und am 2. Dienstag im Oktober statt. Mit Datum vom 30. Mai 1788 wurde sogar noch ein dritter Jahrmarkt bewilligt und festgelegt auf den Ludwigstag, dem 25. August. Sollte dieser Tag ein Sonntag sein, so solle der Jahrmarkt am folgenden Dienstag stattfinden . Der Sonntag sollte also geheiligt bleiben.
Das neue Schloss wurde als Barockbau in der Tradition von Stengel geplant und gebaut. Die Arbeiten begannen 1753 und dauerten bis mindestens 1765, da aus diesem Jahr noch eine Handwerkerrechnung existiert. Die Baupläne, weitere Rechnungen oder sonstige Unterlagen über den Bau des Barockschlosses sind bisher nicht gefunden worden. Es kann vermutet werden, dass sie beim Brand des Saarbrücker Schlosses, in welchem damals die gesamte Verwaltung des Fürstentums angesiedelt war, vernichtet wurden. Man ist also ganz auf Beschreibungen damaliger Zeitgenossen und Besucher des Schlosses angewiesen, glücklicherweise gibt es wenigstens noch eine Karte mit dem Grundriss des Schlosses und der Umgebung. Das Neunkircher Schloss diente dem Saarbrücker Hof oft zu Jagdaufenthalten weshalb ihm Fürst Ludwig am 23.08.1777 offiziell den Namen „Jägersberg“ verlieh. Zwar ist der Baubeginn des Schlosses Jägersberg bekannt, der Zeitpunkt der Zerstörung ist jedoch nicht eindeutig zu bestimmen. Am 13.05.1793 musste Fürst Ludwig das Schloss eilig auf der Flucht vor einer „Horde Kommissars, von einem Detachement Gensd’armes begleitet“ der französischen Revolutionstruppen verlassen. Erbprinz Heinrich sprang in letzter Minute über eine Mauer, um sich zu den Preußen zu retten, die ihr Lager am Kuchenberg bei Wiebelskirchen aufgeschlagen hatten.
Im Gegensatz zum Saarbrücker Schloss, dem Schloss am Ludwigsberg in Saarbrücken, dem Schloss Karlsberg in Homburg und anderen Gebäuden ging das Neunkircher Schloss Jägersberg nicht in Flammen auf, sondern wurde von den Revolutionstruppen „nur“ geplündert und verwüstet. Nach der Flucht der Territorialherren aus ihren Ländern an der Saar, gingen ihre Besitzungen in französisches Staatseigentum über. In Neunkirchen war dies das Schlossgebäude mit allen dem Fürsten gehörenden Liegenschaften.
Das Barockschloss wollte der englische Adlige Lord Thornton 1802 erwerben und wieder restaurieren. Er konnte mit seinen Kaufabsichten jedoch nicht durchdringen und soll danach an der Loire das weltberühmte Schloss Chambord teilweise angemietet haben. Eigentümer der Ruine Jägersberg und eines Großteils des übrigen früheren nassauischen Besitzes in Neunkirchen wurde dann im Juli 1803 zum Preis von 11 000 Franken der in der napoleonischen Zeit aus Saargemünd als Maire nach Neunkirchen gekommene Franz Couturier, der das Amt des Bürgermeisters auch nach 1816 unter den Preußen in Neunkirchen behielt. Das Schloss zerfiel und wurde von der infolge der rasanten Industrialisierung rasch wachsenden Bevölkerung, die Wohnraum brauchte, als Steinbruch und Materialquelle benutzt und bis zum letzten Brett demontiert. Übrig blieben einige Mauerreste.
Lord Thornton bezeichnete 1802 in einem Brief an den Earl of Darlington das Neunkircher Stengel-Schloss als „eines der schönsten Bauwerke, das man sich vorstellen kann“. Nach seiner Beschreibung befand sich im Erdgeschoss ein kreisförmiger Zentralraum von 55 Fuß (ca. 30 Meter) Durchmesser, daneben zu beiden Seiten Räume von 36 Fuß und auf jeder Seite anschließend eine Galerie von 60 Fuß Länge und am Ende jeweils ein achteckiger Pavillon. Die Rückfront des Gebäudes war mit unzähligen Geweihen, Gehörnen und Keilerwaffen geschmückt. Ins Obergeschoss konnte er wohl nicht mehr kommen, weil vermutlich die Treppe schon von Materialsuchern abgebaut und abtransportiert war.
Auch Goethe, der Neunkirchen im Sommer 1770 einen Besuch für eine Nacht abstattete und dabei längere Zeit im Dunkeln einsam auf der Terrasse des Schlosses saß, schilderte seine Empfindungen bei diesem Besuch im 10. Buch von Dichtung und Wahrheit:
„Wir betraten bei tiefer Nacht die im Talgrunde liegenden Schmelzhütten und vergnügten uns an dem seltsamen Halbdunkel dieser Bretterhöhlen, die nur durch des glühenden Ofens geringe Öffnung kümmerlich erleuchtet werden. Das Geräusch des Wassers und der von ihm getriebenen Blasebälge, das fürchterliche Sausen und Pfeifen des Windstroms, der, in das geschmolzene Erz wütend, die Ohren betäubt und die Sinne verwirrt, trieb uns endlich hinweg, um in Neukirch einzukehren, das an den Berg hinauf gebaut ist.
Aber ungeachtet aller Mannigfaltigkeit und Unruhe des Tages konnte ich hier noch keine Rast finden. Ich überließ meinen Freund einem glücklichen Schlafe und suchte das höher gelegene Jagdschloss. Es blickt weit über Berg und Wälder hin, deren Umrisse nur an dem heitern Nachthimmel zu erkennen, deren Seiten und Tiefen aber meinem Blick undurchdringlich waren. So leer als einsam stand das wohlerhaltene Gebäude; kein Kastelan, kein Jäger war zu finden. Ich saß vor den großen Glastüren auf den Stufen, die um die ganze Terrasse hergehn. Hier, mitten im Gebirg, über einer waldbewachsenen finsteren Erde, die gegen den heitern Horizont einer Sommernacht nur noch finsterer erschien, das brennende Sternengewölbe über mir, saß ich an der verlassenen Stätte lange mit mir selbst und glaubte niemals eine solche Einsamkeit empfunden zu haben“.
Außerdem gibt es eine Beschreibung des Freiherrn von Knigge in seinen „Briefen auf einer Reise von Lothringen nach Niedersachsen“ in denen er etwa 1786 schrieb:..... „Das massive Gebäude ist in der Form eines halben Mondes gebaut, hat auf beyden Flügeln nur ein Erdgeschoß, dahingegen in der Mitte noch eine Etage aufgesetzt. Jeder Gegenstand, den man hier erblickt, hat Bezug zur Jagd...
Das Schloß ist von Aussen gänzlich bekleidet mit einer ungeheuren, daran festgenagelten Menge von Geweyhen der gejagten Hirsche. Der Hof bringt den Herbst hier zu, und dann ist von nichts wie von Jagd die Rede. Einige Zimmer aber sind verziert mit Tafeln, auf welchen man hinter Glas das Verzeichnis der in jedem Jahr parforce gejagten Hirsche sauber eingeschrieben sieht, nebst den genauen Nachrichten von den dabey vorgefallenen Umständen.
Mir gefiel unter anderem die Einrichtung eines Schlafzimmers, in welchem, dem Fenster gegenüber, ein erhöhter Alcoven angebracht ist. Die Rückwand dieses Alcovens besteht gänzlich aus einem großen Spiegel. Vor diesem steht dann das Bette so, dass der Fürst, wenn er in demselben liegt, die durch das Fenster in dem Spiegel sich darstellende Gegend wie in einem Landschafts-Gemälde erblickt.“ Bei dem Barockschloss Jägersberg handelte es sich nach all diesen Erkenntnissen um ein sehr repräsentatives und prachtvolles Gebäude.
Zum exakten Standort des Schlosses werden in der Literatur zwei Ansichten vertreten. Während Heinz und auch Schwenk die Ansicht vertreten, der Mittelrisalit des Schlosses habe genau über dem Kellergewölbe des heutigen Anwesens Schloßstrasse 22 gestanden, auch ein Teil des aufsteigenden Mauerwerks dieses Gebäudes stamme noch vom Schloss, verlegt Reinhard Schneider den Standort auf Grund von Messungen des Leiters der Außenstelle Neunkirchen des Landesamtes für Kataster-, Vermessungs- und Kartenwesens, Hans Werner Dußing, ca. 9 – 11 m weiter nach Nordwesten und damit in den Hofbereich der heutigen Häuser der Schloßstrasse. Dußing selbst räumt aber ein, „dass letzte Gewissheit erst Sondierungen oder Grabungen bringen könnten“.
Nach Prof. Heinz existieren zwei Pläne auf denen die Lage und das Ausmaß des Barockschlosses und des Schlossparks sowie der Nebengebäude sehr deutlich werden:
1) der Nordheim – Plan von 1797
2) Plan der Hofgärtner Koellner
Fortsetzung folgt, Quellenangaben am Ende der Reihe
Ein Bericht von Armin Schlicker und Horst Schwenk